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Wasser als Instrument himmlischer und irdischer Macht in Indien

Die ewige Rolle des Wassers als sakrale Macht und wesentlicher Bestimmungsfaktor zur Legitimierung der herrschaftlichen Despotie zeigt sich vor allem in der Geschichte des Leben der Völker Afrikas und Asiens, hier insbesondere in Indien.
Etwa drei Viertel der Erdoberfläche sind vom Wasser bedeckt. Es liegt daher nahe, sich unsere Welt als eine auf dem Wasser schwimmende Scheibe oder als einen aus dem Wasser herausragenden Erdhügel vorzustellen. 98,77 Prozent des Wassers auf der Erde sind in den
Weltmeeren enthalten. Nur 1,23 Prozent verteilen sich auf das Eis der Polargebiete, auf die Hochgebirge, die Süßwasserseen, Flüsse, das Grundwasser und den Wasserdampf der Atmosphäre. Die verhältnismäßig geringen Süßwassermengen bilden die Grundlage des gesamten Lebens auf der Erde. Wasser ist der Klimafaktor, ein lebenswichtiger Kreislauf, ohne Anfang und ohne Ende.
Der menschliche und tierische Körper besteht zu 60 bis 70 Prozent aus Wasser, die Pflanzen haben einen Wasseranteil von gar über 90 Prozent. Die täglich vom erwachsenen Menschen aufgenommene und ausgeschiedene Wassermenge beträgt etwa 2,5 bis 4 Liter. Bei einem Wassermangel von 10 Prozent treten empfindliche Störungen ein, ein 20 prozentiger Wasserverlust führt bereits zum Tod.
Kulturgeschichtlich hat das Wasser eine unermesslich faszinierende Rolle gespielt. Wo es Wasser gab, entwickelten sich die menschlichen Siedlungen, der Ackerbau, die Viehzucht und der Reichtum. Die uns bisher bekannten Hochkulturen, die Jahrtausende vor der christlichen Zeit liegen, sind am Euphrat,Tigris, Nil, Indus, Ganges, Hwangho und am Yangste entstanden. Auch die Ursprünge der ältesten deutschen Städten liegen an den Ufern von Rhein, Donau und Mosel. Karl der Große (747-814), Gründer des römischen Reiches deutscher Nation, ließ sich bei den Thermalquellen in Bad Aachen, was Urgermanisch „ahwo, Wasser“ heißt, nieder.
Das Wasser ist, wie wir wissen, ein unverzichtbarer Bestandteil des menschlichen Daseins
und des Universums. Die unfassbare Dimension der Ozeane, die unkalkulierbare Flutung, das Ausbleiben von Regen, die Austrocknung der Wasserquellen und damit verbundener Hunger und Tod haben auf die Menschen seit ihrer Entwicklung entscheidend eingewirkt. So ist verständlich, dass die Menschen das Wasser in seiner Gesamtheit als göttliche und auch diabolische Kraft ansehen.
Dabei ist zu betonen, dass das Wasser seit der Urzeit im Hinduismus eine sehr bedeutende sakrale Rolle gespielt hat. Fast alle Flüsse Indiens werden von den Hindus als mütterliche Gottheiten betrachtet. Der Ganges wäscht die Sünden der Gläubigen ab, deren Asche oder Leichen seinem Wasser anvertraut werden. Der Fluss gewährt ihnen Wiedergeburt in einem Reich himmlischer Seligkeit. Auch die allergrößten Pilgerfeste der Welt, wie Kumbh Mela, gleichbedeutend mit ´Zum Krug des Unsterblichkeitsnektars´, finden am Ufer des Ganges statt.
Fast alle hinduistischen Großtempel liegen in Bergen oder an Küsten und Flussufern wie in Gangotri, Haridwar, Rishikesh,Varanasi,(Ganges), Mathura, (Jamuna), Allahabad am Treffpunkt (Sangam) von Jamuna mit Ganges und mit dem mythologischen Fluss Saraswati, Maheshwar, Omkreshwar (Narmada), Puri, Konark, Mahabaleshwar, Mahabalipuram, Rameshwaram (Golf von Bengalen), Kap Komorin am indischen Ozean, um nur einige davon zu nennen.
Die in Indien später entstandenen Reformreligionen wie Buddhismus und Sikhismus betrachten Flüsse auch als etwas Heiliges. Einige der heiligsten buddhistischen Tempel und Kloster liegen am Ganges oder an Lotusteichen wie u. a. in Bodh Gaya, Patliputra, Nalanda, Rajgirih (Bihar), Sarnath (Uttar Pradesh), etc. Auch die namhaften Orte und Gurdwaras der Sikhs befinden sich an Flüssen wie Takht Sri Patna Saheb am Ganges in Patna (Bihar), Takht Sri Hazur Saheb an Godaveri in Nanded (Maharashtra) und Takht Sri Keshgarh Saheb in Anandpur am Sutlej (West Punjab). Der wohl bekannteste ist der Golden Tempel, Takht Sri Harmandir Saheb in Amritsar (Nektar-Stadt), welcher um einen Teich herum gebaut wurde, der der Sage nach aus Nektar (Amrit) und Gangeswasser besteht.
Alle Völker der Welt glaubten an die magische Kräfte von Wassergöttern und Wassergeistern. Hierzu zählen die sumerischen Wassergottheiten „Enki“, babylonischen „Ea“, iranischen „Anahita“, keltischen „Manannan mac“, finnischen „Ahti“ und indischen „Asparas“. In Altägypten war der Nil sowohl Gottheit als auch heiliger Strom. Der
ägyptische Sonnengott Re, dargestellt auf dem alten Tempel, vollzieht eine Reinigung, indem er im kosmischen Wasser untertaucht und in das Totenreich hinabsteigt. Die Flüsse werden in der Antike als männliche Gottheit betrachtet. Der bedeutendste griechische Flussgott war Acheloos mit langem fließenden Bart und Haar, der auf einem Vasenbild aus dem Wasser steigt.
Zu Gottheiten von Römern zählten auch Meere und Flüsse. Zum huldigen des Wassers bauten die Römer im 3. Jh. v. Chr. einen Tempel für den Aesculapius, den griesischen Gott für Medizin, auf der Isola Tiberina (Insel Tiber), Ort der antiken Mythologien, in Rom.
Nach der Legende hören wir bei den nordeuropäischen Völkern insbesondere am Rhein im Nibelungenlied über die Gottheiten, Drachen, Liebe, Heldentaten, verborgene Schätze und die Nixe, die vom Felsen Loreley die Schiffer am Rhein mit ihrem Gesang anzog oder die männliche Nixe in Dänemark und Schweden, die die Menschen durch seine dem Ruf eines Ertrinkenden ähnliche Stimme anlockt 1).
Die gläubigen der monotheistischen Religionen von Judaismus, Christentum und Islam lehnen die Naturelemente wie Wasser als Gott ab, dennoch verehren sie das Wasser als eine der Manifestationen des Allmächtigen. Das Christentum bewahrt in seinem Glauben Wasser als Element der Reinheit und Reinigung. Im Alten Testament finden wir umfangreiche Vorschriften über das, was als rein und unrein gilt, sowie über die Riten das Reinwaschens von Sünden. Johannes der Täufer taufte die Gläubigen im Jordan. Das Untertauchen entsprach einem von der Sünde reinigen- den Bad, also wie ein Ashnan (Bad) im Ganges bei Hindus. Darüber hinaus sind uns die feierliche Weihe des Taufwassers in der Osternacht, die Taufe von Kindern, das Weihen des Altars, der Glocken, von Personen und Objekten mit Weihwasser bekannt. Es ist üblich, dass der Gläubige Christ beim Eintreten in die Kirche seine Finger in das Weihwasser taucht und sich bekreuzigt. Die Form des Taufbeckens ist überdies eine Halbkugel, die mit einem Wellenornament versehen ist – Symbol für den kosmischen Ozean. An Wallfahrtsorten sieht man immer wieder die Heilbrunnen, Wasser aus dem Jordan brachten Kreuzfahrer und bringen heute noch die Pilger mit 2).
Auch der Islam verehrt das Wasser als Symbol der Reinigung von Körper und Seele. In der Welt des Islam spielen die rituellen Waschungen bei der Geburt und beim Tod eine zentrale
Rolle. Der Nimaz (Gebet) wird durch eine strikt vorgeschriebene Waschung (Wadu) vollzogen. Fast alle Grabstätten der Heiligen, der Sufis und Derwische liegen an Wasserquellen, die durch ihre Wundertaten das Wasser zum Sprudeln brachten. Das dortige Wasser wird von Gläubigen als heilig und Heilmittel angesehen. Das Wasser des Brunnens Zam Zam in Mekka wird von Pilgern als Heilmittel in ihre Heimat mitgebracht. Die islamische Erzählung bringt den Ursprung dieses Brunnens mit Abraham zusammen. Der Engel Gabriel soll ihn geöffnet haben, um Hagar und ihren Sohn Ismail zu retten, die vor Durst in der Wüste gestorben wären. Das Weihwasser als Heilmittel ist unter dem moslemischen Volk weltweit verbreitet. Millionen von Moslems im indischen Subkontinent lassen das mitgebrachte Wasser von den Predigern (Mullahs) insbesondere nach dem Freitagsgebet (Juma) weihen 3).
Im indischen Subkontinent wird die Wassertherapie zur Beruhigung und Anregung des Kreislaufs, Nervensystems und Stoffwechsels häufig verwendet (Ayurveda und Unanimedizin). Auch in der neuzeitlichen zentraleuropäischen Kultur sind Kurstätten zur Genesung von Krankheit noch immer mit der Heilungskraft des Wassers in Form der Bäderkultur verbunden.
Hier sei erwähnt, dass die monotheistischen Religionen in Wüsten entstanden sind, wo das Wasser äußerst knapp war. Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass Flüsse und Bäche in die Paradiesvorstellung der Gläubigen dieser Religionen eingegangen sind. Der Symbolik vom Garten Eden mit seinen vier Strömen begegnen wir dort. Die sakrale Bedeutung des Wassers geht bei den monotheistischen Glaubensrichtungen eindeutig auf die noch älteren Religionen des Orients zurück.
Nach diesem knappen Abriss über Wasser als heilige Macht betrachten wir das Wasser als einen der Bestimmungsfaktoren zur Entwicklung der Despotie im Leben der Völker.
Wie wir wissen, bauten schon die Herrscher an Euphrat, Tigris und Nil die Dämme und Kanäle zur Bewässerung der Landwirtschaft. Bereits um die Wende des 7. Jahrtausends v. Chr. ist uns in Assyrien das großangelegte Kanalsystem zur Wasserversorgung der Stadt Ninive bekannt. Die Induskultur Harappa und Mohenjedaro (zwischen 2300 und 1700 v. Chr.) verfügte über eine aufwendige Wasserleitung und ein Kanalsystem. Im römischen
Reich wurden große Fortschritte bei der Wasserleitung und Wasserverteilung gemacht.
Mit dem Bau von Bewässerungsanlagen und der Wasserzuteilung erreichten die Herrscher die absolute Kontrolle über ihre Untertanen. Dem Mauryakönig (350-283 v. Chr.), empfahl sein Kanzler, Kautilya (350-283 v. Chr.) in dessen Buch Arthasastra (Staatslehrbuch), das künstlich bewässerte Land um den dritten oder den vierten Teil des Ertrages zu besteuern und den Schuldner hart zu bestrafen 4).
Die chinesische Bewässerungsgeschichte erzählt in vielen Beispielen, dass Wasser als Mittel zur Verknechtung des Volkes diente. Das Hauptgebiet der chinesischen Agrikultur liegt im Flussbecken des Hoangho (gelber Fluss). In dieser nordöstlichen Region gibt es geringe Niederschläge, aber genügend Löß, eine Art kalkhaltiges Düngemittel, das zusammen mit künstlicher Bewässerung sehr geeignet ist, den Ackerbau zu fördern. So ließ dort in Altchina Kaiser Yu der Große vor 2000 Jahren v. Chr. Bewässerungsanlagen mit Millionen von Fronarbeitern bauen, deren Ausweitung noch im 7. Jahrhundert n. Chr. von Kaiser Yang Ti mit einer ähnlichen Menschenmenge fortgesetzt wurde 5).
Der Aufbau der Bewässerungsanlagen, die Säuberung dieser von Schlamm und Schlick, die Reparatur und Wartung, die Wasserspeicherung für regenarme Zeiten, die Zuteilung von Wasser an die Bevölkerung, Wasser- und Ertragsbesteuerung konnte nur mit Hilfe eines zentralistischen Staatsapparates bewältigt werden. Dadurch erzielten diese Staaten ihre Haupteinnahmen. So ist es nicht verwunderlich, dass neue Eroberer erst die Wasseranlagen besetzten und zerstörten, um die Kapitulation zu erzwingen. Von Ägypten bis China sind noch Ruinen von solchen Bewässerungsanlagen zu sehen 6).
Karl Marx, der sich ausführlich mit der asiatischen Produktionsweise auseinandersetzte, sah das Entstehen der staatlichen Bewässerung der Landwirtschaft als einen der entscheidenden Faktoren zur Entwicklung der Despotie in Asien und Afrika. Er begründete dies damit, dass „klimatische und territoriale Verhältnisse... künstliche Berieselung durch Kanäle und Wasserwerke die Grundlage der orientalischen Wirtschaft“ bedingten... und eine zentralisierende Staatsgewalt erforderlich“ machten 7).
Karl August Wittfogel leitet daraus den Ursprung der orientalischen Despotie in ihrem „hydraulisch agrarwirtschaftlichen Charakter“ ab 8).
Es wird vielfach die Meinung vertreten, dass dadurch der Orient eine andere wirtschaftspolitische Entwicklung genommen hat als der Okzident. Die westliche
Gesellschaft entwickelte sich von der bäuerlichen zum Feudalismus römischer Prägung mit Eigentumsrecht. Daraus ergab sich eine Adels- und Kaufmannsschicht, freie Zünfte, Handelsstädte mit Bürgertum. Diese Klasse legte den Grundstein zur kapitalistischen Entwicklung, zu industriellen, wissenschaftlichen, geistigen Revolutionen und zur individuellen Freiheit und zum Säkularismus. Dagegen blieb der Orient weitgehend auf der Stufe der Stammesgesellschaft, die auf archaischen Strukturen und absoluten weltlichen und religiösen Herrschern basiert 9).
Es ist eine Tatsache, dass die Herrscher Asiens und Afrikas nach ihrer Unabhängigkeit zur Wiederstellung ihrer alten despotischen Strukturen den Bau von Grossprojekte wie Staudämmen förderten. Die damit entstandenen Folgen für Mensch und Natur sind uns hinlänglich bekannt.
Allein in Indien sind nach der Unabhängigkeit 1947 über 1.500 große Staudämme errichtet worden und demzufolge wurden über 15 Millionen Menschen zwangsweise vertrieben und umgesiedelt. Einer dieser Dämme, Narmada, ist durch die Bewegung Narmada Bachao (Rettet Narmada) unter der engagierten Führung der Schriftstellerin Arundhati Roy auch in Deutschland bekannt geworden. Zur Realisierung des Projekts sind bisher aus den Bundesstaaten Madhya Pradesh, Maharashtra und Gujarat 250.000 Personen aus über 245 Dörfern vertrieben worden, davon allein 120.000 Adhivasis, Ureinwohner, die die schwächste und die ärmste Bevölkerung Indiens darstellen 10).
Die in letzter Zeit gebauten und geplanten Staudämme dienen auch zur wasserwirtschaftlichen Erpressung der Anrainerstaaten wie Irak, Syrien, Bangladesh und Indien durch den Bau der Ilisu und Izre Dämme an Euphrat und Tigris in der Türkei, des Farakka Damms im indischen Teil des Ganges und des Yarlang Tsampo Damms von China in Tibet; in Indien heißt der betroffene Fluss Brahmaputra.
Arundhati Roy vergleicht die Staudämme mit Atomwaffen. Beide seien nach ihrer Auffassung Massenwaffen, mit denen der Staat die Kontrolle über die Bevölkerung aufrechterhalten will 11).
Unsere Gegenwart ist ein Spiegelbild der Vergangenheit, das sich in Zukunft fortsetzen wird. So wird das Wasser ein Instrument himmlicher und irdischer Macht bleiben.

Literatur:
1. Germanisches Altertumskunde. Berlin 2000
2. Die Taufe. Hrsg. Christian Lange. Darmstadt 2008
3. Nabavi, Mir-Hossein. Hygiene und Medizin im Koran. Stuttgart 1967
4. Das altindische Buch vom Welt- und Staatsleben. Das Arthacastra
    des Kautilya. Leipzig 1926. S. 372-373
5. Guter, Josef. Lexikon zur Geschichte Chinas. Wiesbaden 2004
6. Kaifi. A. Khaliq. Wasser als Bestimmungsfaktor der sakralen Macht     und Despotie im Leben der Völker. In: Rundbrief. Jg. 7 (2).            
    Göttingen. S. 25-28
7. Karl Marx . Die britische Herrschaft in Indien. In: Marx Engels
    Werke. Bd. 9(1960). Berlin. S. 218
8. Wittfogel, Karl August. Die orientalische Despotie. Köln 1962
9. Misra. B. B. The Indian Middle Classes. London 1961
10. Dietrich, Christopher. Widerstand gegen das Narmada. In:        
      Geographische Rundschau. 56(12). Hannover 2004. S. 10-15
11. Roy, Arundhati. Das Ende der Illusion. Bremen 1999

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