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MEDIZIN IN INDIEN
Unter dem Sammelbegriff der Medizin werden hier die Formen der Gesundheitsversorgung in Indien verstanden, die im Laufe der Geschichte dort entstanden sind.
Mitte des 2. Jahrtausends v. Chr. wanderten die arischen Hirtenkrieger nach Indien und führten ihre vedische Konzeption der Heilung ein, Ayurveda genannt, das Wissen vom langen Leben.
Die moslemischen Herrscher brachten im 13. Jahrhundert die griechisch-arabische Unani-Medizin nach Indien.
Die Allopathie bzw. die westliche Medizin kam erst mit der ostindischen Gesellschaft ab dem 17. Jahrhundert nach Bengalen. Sie ist bis heute das offizielle Gesund-heitssystem Indiens geblieben.
Die vierte Art der Medizin ist die Homöopathie, die auf die Vorstellung des deutschen Arztes Samuel Hahnemann (1755-1843) zurückgeht und sich erstaunlicherweise auch in Indien weit verbreitet hat.
Die fünfte und älteste ist die Volksmedizin, sie basiert auf den uralten Heilpraktiken der Dorf- und Stammesbevölkerung des Subkontinents.
Der Ayurveda, Wissen vom langen Leben, entwickelte sich um etwa 900 v. Chr., und zwar zunächst aus dem Anhang des jüngeren Veda, des Atharvaveda (Wissen des Feuerpriesters), er etwa 730 Gesänge, Beschwörungen, Segenssprüche und Zauberformeln des Priesters umfasst. Der Ayurveda beschreibt sowohl die Behandlung von Krankheiten als auch die Mittel zur Erhaltung der Gesundheit und der Liebeskraft.
Als die eigentlichen Gründer des Ayurveda werden die Ärzte Dhanvantri aus Varanasi (Benares) und Atriya aus Taxila (Peshawar) um 600 v. Chr. bezeichnet. Zahlreiche ayurvedische Texte (Kalpas, Tantras) gehen auf sie und deren Schüler (Chelas) zurück.
Nach den Grundsätzen der Pathologie und Physiologie des Ayurveda besteht der Mensch aus Leib (Sarira) und Seele (Atma), wobei die Seele rein geistig - ohne Anfang und Ende - ist, und dem Körper fünf Elemente (Pancha Mahabhuta) zugeordnet werden, nämlich Erde (Prithvi), Wasser (Ap), Feuer (Agni), Luft (Vayu) und Äther (Akasa). Zu ihnen gehören fünf Sinnesorgane bzw. Augen, Haut, Nase, Zunge, After und Geschlechtsorgane. Der Körper setzt sich aus sieben Grundbestandteilen (Dhatus) zusammen, nämlich Chylus (Rasa), Blut (Rakta), Fleisch (Mamsa), Fett (Medas), Knochen (Asthi), Mark (Mejja) und Samen (Shukra). Die Gesundheit des Körpers ist durch die gleichmäßige Verteilung der drei Grundstoffe (Tri Dosa), nämlich Galle (Pita), Luft (Vayu) und Schleim (Kapha) bestimmt. Die Luft regelt die Nahrungsaufnahme, Entleerung, Atmung und den Blutkreislauf und ist die verbindende Kraft zwischen der Seele und dem Körper. Die Galle fungiert als Träger der Nahrungsverarbeitung und als Energieerzeuger in Form von Blut und Chylus. Der Schleim hat die Aufgabe des Einfettens und der Konservierung der körperlichen Stoffe. Danach bleibt der Mensch so lange gesund wie Luft, Galle und Schleim miteinander harmonisieren. Also sind nach dem Ayurveda Gesundheit und Krankheit humoralen Ursprungs.
Die ayurvedische Medizin basiert im Wesentlichen auf drei Sammelwerken wie Caraka Samhita, Susruta Samhita und Vagbhata Astanga Samgraha, die unter den Namen dreier Ärzte, historisch nicht greifbarer Persönlichkeiten, Caraka (1-2 Jahrhundert. v. Chr.), Susruta, (2- 4 Jahrhundert. n. Chr.) und Vagbhata (4- 6 Jahrhundert n. Chr. ) bekannt geworden sind. Die unter Vagbhata bekannte achtteilige Sammlung besteht aus folgenden Bereichen:
1. Chirurgie (Salya), 2. Innere Medizin (Kaya Cikitsa), 3. Augen, Ohr, Nase und Hals (Salakya), 4. Kinderkrankheiten (Kumara Bhritya), 5. Gegengift ( Agada), 6. durch Dämonen verursachte Krankheiten (Bhuta Vidya), 7. Alterskrankheiten (Rasa Yana), 8. Wiederherstellung der jugendlichen Kraft, Liebesmittel (Vaji Karana).
Bei den altindischen Ärzten scheint die Chirurgie am meisten entwickelt gewesen zu sein. Man operierte Blasensteine mittels des Steinschnitts, unternahm Kaiserschnitte und führte Staroperationen an der Augenlinse mit der Spitze einer Pinzette durch. Den Gipfel erreichte die Chirurgie bei den plastischen Operationen an Ohr und Nase. Dabei transplantierte man einen gestielten Lappen aus der Haut an den Ort der Verstümmelung. Anästhesie und Hypnose waren bei Operationen üblich.
Der britische Arzt James Esdaille (1808-1859) brachte die Hypnose von Indien nach Europa. Die altindischen Ärzte wussten, dass Blutungen aus den Lungen auf eine Schwindsucht hindeuten und kannten die Leberverhärtung im Zusammenhang mit Wassersammlungen im Bauch. Zum Studium der Anatomie liess man die Leiche im Wasser mazerieren. Dann wurde mit Bürsten die Haut abgeschabt, um genauere Kenntnisse über die körperlichen Organe zu sammeln. Die chirurgischen Lernexperimente wurden an Früchten, getrockneten Kürbissen, Lederbeuteln, Töpfen und Wachslumpen geübt.
Diagnose und Therapie: Die Heilkunde des Ayurveda basiert primär auf präventiven Maßnahmen. Zur vorbeugenden Therapie zählen persönliche und Sozialhygiene, Aufnahme von Mitteln gegen den Alterungsprozess und Jogaübungen zur Erreichung der Harmonie zwischen Geist und Körper. Der chinesische Mönch I- Tsang, der sich zehn Jahre lang (675-685) dem Medizinstudium an der damaligen buddhistischen Universität in Nalanda (Bihar) widmete, berichtet, dass in der indischen Medizin die Hygiene des Körpers mit der Reinheit des Geistes eng verflochten ist.
Zu den Gesundheitsregeln gehören Frühaufstehen, Zähneputzen mit einem Stöckchen vom Neembaum (Azadirachata indica), Morgenspaziergänge, Körpereinreiben mit Öl, Baden, Gebete (Puja), Sauberhalten von Gebrauchs- und Haushaltsgütern, usw.
Die kurativen Heilmassnahmen konzentrieren sich hauptsächlich auf die Beseitigung der kausativen Faktoren, die nach dem humoralen Prinzip des Ayurveda durch die morbiden Säfte des Körpers verursacht werden. Zur Eliminierung dieser Säfte verabreicht der ayurvedische Arzt dem Kranken erst Brech-, Abführ-, Inhalierungs- und Schnupfmittel, um die kranken Säfte des Körpers ausscheiden zu lassen. Bei der Behandlung des Kranken wird u. a. die Gemütsverfassung, das Temperament, die Veranlagung, die Jahreszeit, die Windrichtung und das soziale Umfeld in Betracht gezogen.
Nach dem Prinzip des Ayurveda steht die Nahrung im Zentrum der Heilung. Entsprechend der Lehre des Upanishad wird die Nahrung als höchste Schöpfung des Brahman betrachtet und es heißt: Aus Nahrung sind alle Geschöpfe geboren. Alle ernähren sich von der Nahrung, und wenn sie sterben, ernährt sich Nahrung von ihnen.
Die Medizin wird persönlich in harter Arbeit vom ayurvedischen Arzt, dem Vaid, aus den Produkten der Mineral- und Pflanzenwelt hergestellt. Die Anzahl solcher Heilprodukte beträgt über 700.
Das zweite alte Heilwesen Indiens ist die Unani, die arabische Bezeichnung für die auf dem Wort Ionien beruhende griechische Medizin, Es entwickelte sich wie folgt: Zunächst brachten die syrischen Christen (Jakobiten und Nestorianer) aus dem byzantinischen Reich das antike Geistesgut nach Persien. Sie wurden damals vom byzantinischen Kaiser Zenon (471-491) aus Edessa, aufgrund ihrer Ablehnung der Bilderverehrung von Jesus vertrieben. Sie fanden Aufnahme im Sassanidenreich ( 531-491) und ließen sich in Gondi Shapur (Khuzistan) nieder. Sie gründeten dort Ärzteschulen wie die Academia Hippocratica und Krankenhäuser zum Dienst Jesus (Bacht Jesus) und übersetzten die Werke von Hippokrates (5.-4. v. Chr.), Aristoteles (384-322 v. Chr.) und Plato (429-347 v. Chr.) ins Persische. Insbesondere blühte die Übersetzung von altmedizinischen Werken während der Zeit des Abbassidenkalifs Al Mamun (813-833), des Gründers von Bait ul Hikmat, was bedeutet wie Haus der Weisheit. So wanderte das bis dahin vergessene griechische Wissen über das Syrische ins Persische und schließlich ins Arabische.
Nach der eigentlichen Übersetzungswelle der antiken Medizin zeichnete sich eine eigenständige Entwicklung der islamischen Medizin bis zur fruchtbaren Assimilation mit der chaldäischen, indischen, persischen und orientalischen Medizin ab. Der Höhepunkt der islamischen Medizin begann mit dem persischen Arzt und Al-chemisten Al Razi (865- 925), der im europäischen Mittelalter als Al Rhazes mit seinen Werken Liber Continens (al Havi), Liber Medicinalis Al Mansuri (Kitab el Mansuri) und Schriften über Pocken und Masern bekannt geworden ist. Der größte Arzt neben Rhazes war ebenfalls ein Perser, der Philosoph Ibn Sina (985-1036). Sein unter Avicenna berühmt gewordenes enzyklopädisches Werk Canon Medicinae (Qanun fi al Tibb) wurde jahrhundertelang an den europäischen Universitäten in Toledo, Palermo, Paris, Oxford und Heidelberg gelehrt. Auch die islamische Heilkunde setzte Normen zur Institutionalisierung der Ausbildungsschulen (Tibbia Madarsa) und zur Einrichtung der Krankenhäuser (Darus Shifa) und Bade- und Massagekulturen (Hammam) als Keimzelle in bis dahin unbekanntem Ausmaß.
Die Machtkämpfe islamischer Dynastien untereinander, die Zersplitterung der Kalifate (Baghdad, Cairo, Cardoba, usw.), die Kreuzzüge (1099-1291) und schließlich die Eroberung des Abbasidenzentrums Baghdad 1258 durch den Mongolenkönig Hülego, zerstörten die bis dahin blühende islamische Kunst, Literatur und Wissenschaft im Nahen und Mittleren Osten.
Der geschilderte Zustand führte dazu, dass die islamischen Gelehrten, darunter zahlreiche Hakims, in das indische Reich kamen, das durch den türkischen Sklaven- Feldherrn Qutb ud din Aibak auf indischem Boden 1206 gegründet worden war. Erst als Delhi als Hauptstadt der Sultanate geworden war, (1206-1526) entwickelte es sich zum Geisteszentrum des Islam. Die Hakims wurden zu Hofärzten und schrieben Arbeiten über die Unanimedizin in Indien. Zu diesen bekannten Werken in Indien zählen Tibbe Firoz Shahi, geschrieben zwischen 1288 und 1296, während der Herrschaftszeit von Firoz Shah Tughluk und die Drogenkunde Tibb e Sikandari von Mian Bhuwa, verfasst für den König Sikandar Shah Lodhi (1498-1518). Babar, der Gründer des Mogulnreiches ( 1526-1530) brachte Hakims aus seiner Heimatstadt Samarkand nach Indien mit wie Hakim Jusufi, der zahlreiche Abhandlungen über die Unanimedizin schrieb. Hier sind noch zu erwähnen Frishta (1570-1625), einer der größten Geschichtsschreiber über die moslemischen Herrscherdynastien Indiens, der auch ausführlich über die Systeme der Medizin (Dasturul Attiba) des Ayurveda und Unani schrieb. Khan Zaman, entwickelte in der Zeit von Shah Jahan (1628-1658) mit der altindischen Drogenkunde äquivalente Begriffe für die Unanipharmakologie und schuf damit eine entscheidende Grundlage zur Popularisierung der Unani unter dem Volk. Zur Verbreitung dieser Medizin trugen im 18. Jahrhundert die Übersetzungen aus dem Arabischen und Persischen ins Urdu (entstanden als Bazarisprache der Soldaten aus dem Wortschatz des Türkischen und Persischen und des Sanskrit) bei. Darüber hinaus bauten die Hakims viele Krankenhäuser in Indien, die auch als Ausbildungsorte dienten.
Diagnose und Therapie: Der Hakim als Treuhänder der antiken Medizin zeigt große Aufmerksamkeit bei der Diagnostik, insbesondere beim Pulsfühlen und bei der Urinuntersuchung. Nach der galenischen Säftelehre ist die Krankheit humoralen Ursprungs. Die vier Säfte Blut, Schwarze Galle, Gelbe Galle und Schleim sind demnach die Hauptverursacher der Krankheit.
Die Unani besteht aus folgenden Diziplinen: 1. Anatomie (Tashrihul Aaza), 2. Diätetik (Ilm ul Ghiza), 3. Opthalmologie (Ilm i. Chassam), 4. Pharmakologie (Dawa Sazi), 5. Physiologie (Manafi ul Aaza), 6. Chirurgie (Jarrahi), 7. Therapie (Tashkhis Mualiyat).
Die ideale Form der Behandlung ist die diätetische, die Hygiene und die Regelung der Lebensweise. Sie basiert weitgehend auf den religiös-theoretischen Grundsätzen des Islam. Fünf Gebete pro Tag (Namaz), rituelle Waschungen (Wudu) vor dem Gebet, Beten in sauberen Kleidern und an sauberen Orten, gründliche Waschungen (Taharah) nach dem Wasserlassen und dem Stuhlgang, die sexualhygienischen Vorschriften, das Verbot (Haram) bestimmter Speisen und Getränke (Alkohol) sowie das Fasten (Ramadan) werden als vorbeugende Maßnahmen zum Erhalt der Gesundheit und Schutz gegen Krankheiten bewertet.
Die Drogenkunde und das Apothekenwesen (Dawa Khana) sind in Unani sehr weit entwickelt. Die islamischen Ärzte übernahmen die wirksamsten Arzneimittel, die sie in den Altkulturländern der Welt vorfanden. Zur Ausmerzung der morbiden Säfte werden häufig Abführ- und Brechmittel verabreicht. Beim Versagen sämtlicher Anwendungen wird die Öffnung der Vene praktiziert, um vergiftetes Blut abfließen zu lassen.
Synthese zwischen Ayurveda und Unani: Die Temdenz zu einer Synthese begann mit der Förderung beider Systeme durch das Mogulnreich (1526-1857). Die persischen Gelehrten übersetzten die Unanibücher aus dem Arabischen ins Persische, und die brahmanischen Hofbeamten übersetzten die ayurvedischen aus dem Sanskrit ins Persische. Das erleichterte das Verständnis für beide Systeme, die nicht weit von- einander entfernt waren, da sowohl Ayurveda als auch Unani die Krankheitsursachen in einem humoralen Ungleichgewicht sehen. Auch basiert die Heilkunde beider Systeme primär auf präventiven Maßnahmen. Die indische Herrscher und der Landadel waren eigentlich die Hauptpatronen der Vaids und Hakims. Der ayurvedische Arzt (Vaid) übernahm die Technik des Pulsfühlens, das Opium und Quecksilber, die Alchemie vom Unaniarzt Hakim, und der Hakim erweiterte seine Drogenkunde aus dem Wissen des Vaids, dass nicht selten Hakims zu Vaid werden ließ und umgekehrt.
Die Homöopathie (griechisch, gleichartig) geht auf die Lehre des deutschen Arztes Samuel Hahnemann (1755-1843) zurück, der die Auffassung vertrat, dass „Ähnliches durch ähnliches geheilt werden kann“. Erstaunlicherweise kam die Homöopathie schon zu Lebzeiten von Hahnemann nach Indien. 1835 reiste ein Anhänger dieser Medizin, John Martin Honigberger aus Rumänien, nach Indien und heilte das Fußleiden des Maharaja Ranjit Singh von Lahore (1780-1839). Er lebte noch bis 1860 in Kolkata und wurde dort bekannt als Arzt für Cholera. Zu den ersten homöopathischen Ärzten gehörte Mahindra Lal Sircar, der 1860 ein homöopathisches Journal, - Indian Medical Review-, ins Leben rief. Bereits 1878 wurde das Calcutta Homooepathic College gegründet. Nach Frankreich, den USA, Deutschland ist Indien der viertgrößte Abnehmer der homöopathischen Produkte in der Größendordnung von über einer Milliarde Dollar. Die Ursache der Beliebtheit der Homöopathie in Indien liegt auch darin, dass die Medizin als solche dem Patienten billig in kleiner Dosierung verabreicht wird, die sich auch die ärmere Bevölkerung leisten kann. Dazu trägt auch generell die Einstellung der Inder bei. Die weit überwiegende Mehrheit der indischen Bevölkerung sieht die Ursache der Krankheit in multidimensionalen Kategorien und bedient sich der multivariablen Formen der Behandlung. Die Therapie beschränkt sich selten auf ein Medikament oder auf eine Behandlungsart.
Unter der Volksmedizin werden primär die Heilmethoden des Volkes, insbesondere der ruralen Bevölkerung verstanden, die ihre Medikamente noch zu Hause mit Hilfe der vorhandenen Kräuter und Pflanzen herstellt und auch dabei auf die Hilfe von Göttern, Geistern (Bhut, Jin, Malach), Exorzisten (Jhar Pooch Wala), Zauberer (Jadu Wala), Sanyasis, Sadhus und Pirs (Heilige) zurückgreift. Unabhängig vom Grad der Armut und des Reichtums glauben die meisten Inder an die irdischen und außerirdischen Kräfte als Faktor der Gesundheit und Krankheit. Bei Knochen- brüchen werden nicht selten die Schreiner (Barhi), bei offenen Wunden die Barbiere (Hajam), bei Augen-, Nasen- und Ohrenproblemen die Ohrenschmalzentferner und bei Schlangenbissen die Schlangenbeschwörer zur Hilfe gerufen.
Seit dem Aufkommen der britischen Herrschaft hat sich die moderne Medizin in Indien fest verankert und ist als die offizielle Medizin geblieben. Zum Beginn des 19. Jahrhunderts kam sie erst durch die ostindische Gesellschaft in die Handels- und Verwaltungsstädte (Kolkata, Madras, Mumbai) zur Versorgung ihres Personals und der indischen Soldaten (Sepoys) und schon 1822 wurde eine Medizinschule nach britischem Vorbild in Kolkata gegründet. Seitdem sind die medizinische Ausbildung, das Krankenhauswesen und die Gesundheitsversorgung westlich orientiert geblieben und dienen in erster Linie den wohlhabenden Schichten Indiens.
Die moderne Medizin kann nur im Zusammenhang mit den Ernährungs- und Wohnverhältnissen des Volkes erklärt werden.Die Situation ist so, dass zwei Drittel der indischen Bevölkerung unter den Symptomen der Unterversorgung mit Nahrungsmitteln bzw. schlechter Ernährung leiden. Die unteren Armen (lower poor), ca. 35 Prozent der Bevölkerung, erhalten zu wenig Kalorien und substanzreiche Nahrungsmittel. Die zweite Kategorie von Armen (poor), 30 Prozent, ernährt sich mit einseitiger Kost und mit billigen Getreidesorten. Die gehobene Schicht der Mittelkasse, die bis zu 30 Prozent der Bevölkerung ausmacht, ist dagegen gut ernährt. Die obere Klasse (rich) von 5 Prozent ist überernährt. Die Tatsache, dass der Verzehr von Fleisch, Fisch, Eiern und sonstigen tierischen Produkten von über 60 Prozent der Bevölkerung vermieden wird, trägt zum Mangel an eiweiß- und proteinhaltigen Nährstoffen bei, die zum Ausgleich über den ausreichenden Konsum von Hülsenfrüchten und Linsenarten nötig wäre, der aber aufgrund des Exports dieser Produkte und des zunehmenden Anbaus von cash crop für die arme Bevölkerung nicht ausreichend vorhanden ist. Früchte, Obst und Milch als reichhaltige Träger von wichtigen Nährstoffen kann sich die große Mehrheit der Bevölkerung nicht leisten. Das Bruttoinlandprodukt pro Einwohner von ca. 1290 Dollar ist so niedrig, dass das meiste davon für einfache Nahrungsmittel ausgegeben werden muss, um satt zu werden.
Auch die Wohnverhältnisse tragen nicht minder zur Verschlechterung der Gesundheit des Volkes bei. Lediglich drei Viertel und ein Drittel der Bevölkerung haben jeweils Zugang zu sauberem Wasser und sanitären Einrichtungen. Noch lebt über 70 Prozent der indischen Bevölkerung in den Dörfern, die aus dicht nebeneinander gebauten und instabilen Häusern bestehen, wo Alt und Jung, Mensch und Tier, Gesunde und Kranke auf beengtem Raum zusammenleben, ohne ausreichende Ventilations- und Kanalisationsmöglichkeiten.
Infolge der Industrialisierung ist der Anteil der städtischen Bevölkerung in wenigen Jahren vielfach angestiegen, insbesondere von Delhi, Mumbai, Kolkata, Chenai, Bangalore, Hyderabad, Ahmedabad, Kanpur, Poona, deren Bevölkerung sich zur Zeit auf über 40 Prozent der gesamten urbanen Bevölkerung beläuft. Ein beträchtlicher Teil der dortigen Einwohner lebt in Slums oder in ähnlichen Siedlungen.
So entstehen durch die mangelnde Ernährung, Wohnverhältnisse und medizinische Versorgung unzählige Arten von Infektionskrankheiten sozusagen Krankheiten der Armut.
Schlussfolgerung: Aus der bisherigen medizinischen Versorgung geht hervor, dass keins der heutigen Systeme in der Lage ist, die Gesundheitsbedürfnisse der armen Bevölkerung zu gewährleisten. Sowohl Ayurveda als auch Unani sind in erster Linie die Medizin des indischen Hofs und des Landadels gewesen. Ihre Heilungsgrundsätze basieren auf präventiven Maßnahmen bzw. auf der Grundlage gesunder Nahrung und Umwelt, die dem einfachen Volk fehlt. Hinzu kommt, dass sie aufgrund fehlender Ausbildung zur modernen Diagnose und Therapie der infektiösen Krankheiten und fehlender Kenntnisse mit chirurgischen Eingriffen, ihre Patienten an die modernen Ärzte verlieren.
Auch können sie sich nicht gegen die übermächtige Finanzlobby und die Werbemethoden der modernen Ärzte und Pharmakonzerne behaupten. Infolge der Landbesiedlung, Urbanisierung, Abholzung der Wälder und Berghänge sind ihnen die Heilpflanzen und Kräuter für ihre Medizin zum großen Teil abhanden gekommen. Was davon übrig bleibt, wird von Pharmakonzernen erworben, die ehemaligen Kräutersammler arbeiten jetzt zunehmend für die Pharmakonzerne. Aus dieser veränderten Marktlage haben sich die Großproduzenten von Ayurveda wie Himalaya mehr für die Naturkosmetik, Pflegeprodukte, Gewürzkräuter, Biotee, Anti Aging Mittel und Aphrodisiaka spezialisiert, die auch vermehrt mit Jogameditation und Wellnesstherapie kombiniert werden. Auch die Produktpalette der Unaniunternehmen von Hamdard Dawakhana unterscheidet sich wenig vom Ayurveda. Die noch kleineren Vaids und Hakims verkaufen verstärkt die Präparate der Pharmakonzerne, um existieren zu können. Aus dieser Konkurrenz mit den Pharmakonzernen ergreifen die Vaids, die seit Jahrhunderten mehrheitlich der Schreiber-Kaste (Kayasht) stammte, heute die modernen Berufe. Auch der Hakim gehörte früher zu den Familien des moslemischen Landadels, die es auch nicht mehr gibt.
Indien kennt keine Kranken- und Sozialversicherung für das Volk. Es sind schätzungsweise lediglich 8 bis 10 Prozent der Bevölkerung beschränkt versichert, die im öffentlichen Dienst und bei Großkonzernen tätig sind. In Ermangelung solcher Versicherungen kann sich die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung auch den Arbeits- und Lohnverlust nicht mehr leisten und ist angewiesen auf die schnellen kurativen Mittel der Pharmaindustrie, um ihre Existenz sicher zu stellen. Aus diesem Grund liegt der Anteil der Pharmaausgaben pro Kopf der Bevölkerung Indiens bei fast 45 Prozent der Gesamtgesundheitsausgaben, in den westlichen Ländern nur bei 10 Prozent, die zum Großteil auch noch vom Staat finanziert werden. Die indischen Ärzte erhalten Kommission für die Präparate der Pharmakonzerne, die sie an Patienten verschreiben, da diese ihnen mehr Einkommen sichern als ihre Konsultationshonorare. Aufgrund fehlender Kontrollmechanismen des Staates und der Unwissenheit der Bevölkerung liegt der Anteil an falschen, nutzlosen und verfallenen Arzneimitteln, die in Indien verkauft werden bei über 20 Prozent.
Auch die Krankenhäuser Indiens sind aus diesem Grund nicht mehr geeignet für die Versorgung des Volkes. Es gibt private und staatliche Krankenhäuser. Die privaten befinden sich vornehmlich in den Großstädten, sind modern eingerichtet und mit neuesten Geräten ausgestattet, der Aufenthalt dort kostet über 100,- Dollar pro Tag oder mehr, was ein einfacher Arbeiter im Monat verdient. Bereits vor der Zulassung muss man dem Krankenhaus eine bestimmte Summe im Voraus zahlen. Die staatlichen Krankenhäuser befinden sich an den kleineren Orten. Sie sind mit minimalen Mitteln ausgestattet und vermitteln ein Bild der Verwahrlosung. Auf die Bevölkerungszahl von über 1, 2 Milliarden Menschen verteilt, erhalten sie vom Staat einen jährlichen Betrag von fünf Dollar pro Einwohner, darin sind auch die Gehälter für Personal und die Unterhaltungskosten der Einrichtung enthalten. Die Ärzte dieser öffentlichen Anstalten sind kaum dort präsent, betreiben ihre privaten Praxen und verkaufen die vom Staat zur Verfügung gestellten Medikamente an ihre Privatpatienten. Der desolate Zustand der staatlichen Krankenhäuser trägt vielfach dazu bei, dass die arme Bevölkerung diese als die letzte Sterbestelle betrachtet.
Es ist ersichtlich, dass mit fortschreitender Industrialisierung und Einkommens- steigerung der Einfluss der modernen Medizin verstärkt zunimmt und damit die einheimische Medizin nach und nach verdrängt. Dennoch beobachten wir, dass Indien neben der Moderne noch mit den archaischen Vorstellungen lebt, was darauf hin deutet, dass die Volksmedizin mit ihren vielfältigen Facetten niemals ganz von der Bildfläche Indiens verschwinden wird, unabhängig davon, in welchem Maße das Land industrialisiert wird.
Literatur:
Ackerknecht, Erwin Heine. Geschichte der Medizin. Stuttgart 1979
Askari, S. H., Medicines and Hospitals in Muslim India. In. Journal of Bihar Research Society. Vol. 43 (1959)
Basham, Arthur Llewllyn. The Practise of Medicine in Ancient and Medieval India. In: Asian Medical System. Ed. Charles Leslie. Berkeley 1976
Campbell, Donald. Arabian Medicine and its Influence on the Middle Ages. Amsterdam 1974
Dubios, Jean Antonie. Hindu Manners, Customs and Ceremonies. Translated by Henry King Beauchamp. Oxford 1897
Food and Agricultural Statistics. Hrsg. Food and Agricultural Organization. Rom Kaifi, A. Khaliq. Unani, the Graeco-Arab Medicine in India. In: Studies in History of Medicine and Science. Vol. XVIII (2), New Series. Hamdard University. Delhi 2002;
Medizin, Gesellschaft und Gesundheitssysteme im afro-asiatischen Raum. In:Traditionelles Wissen und Modernisierung. Jahrbuch 1991. Frankfurt/M., 1991
Keswani, Nandkumar H. Medical Education in India since Ancient Times. In: The History of Medical Education. Ed. Charles Donald O`Malley. Berkeley 1970
Müller, Reinhold F. G. Grundsätze altindischer Medizin. Koebenhavn 195
Nabavi, Mir-Hossein. Hygiene und Medizin im Koran. Stuttgart 1967
Reddy. D. V. Subba. The Outline of the History of the Unani Medical Literatur. In: Indian Journal of History of Medicine. 15(1). Madras 1970
Statistisches Jahrbuch für das Ausland. Hrsg. Statistisches Bundesamt. Wiesbaden
World Health Statistics. World Health Organization. Geneva
Unter dem Sammelbegriff der Medizin werden hier die Formen der Gesundheitsversorgung in Indien verstanden, die im Laufe der Geschichte dort entstanden sind.
Mitte des 2. Jahrtausends v. Chr. wanderten die arischen Hirtenkrieger nach Indien und führten ihre vedische Konzeption der Heilung ein, Ayurveda genannt, das Wissen vom langen Leben.
Die moslemischen Herrscher brachten im 13. Jahrhundert die griechisch-arabische Unani-Medizin nach Indien.
Die Allopathie bzw. die westliche Medizin kam erst mit der ostindischen Gesellschaft ab dem 17. Jahrhundert nach Bengalen. Sie ist bis heute das offizielle Gesund-heitssystem Indiens geblieben.
Die vierte Art der Medizin ist die Homöopathie, die auf die Vorstellung des deutschen Arztes Samuel Hahnemann (1755-1843) zurückgeht und sich erstaunlicherweise auch in Indien weit verbreitet hat.
Die fünfte und älteste ist die Volksmedizin, sie basiert auf den uralten Heilpraktiken der Dorf- und Stammesbevölkerung des Subkontinents.
Der Ayurveda, Wissen vom langen Leben, entwickelte sich um etwa 900 v. Chr., und zwar zunächst aus dem Anhang des jüngeren Veda, des Atharvaveda (Wissen des Feuerpriesters), er etwa 730 Gesänge, Beschwörungen, Segenssprüche und Zauberformeln des Priesters umfasst. Der Ayurveda beschreibt sowohl die Behandlung von Krankheiten als auch die Mittel zur Erhaltung der Gesundheit und der Liebeskraft.
Als die eigentlichen Gründer des Ayurveda werden die Ärzte Dhanvantri aus Varanasi (Benares) und Atriya aus Taxila (Peshawar) um 600 v. Chr. bezeichnet. Zahlreiche ayurvedische Texte (Kalpas, Tantras) gehen auf sie und deren Schüler (Chelas) zurück.
Nach den Grundsätzen der Pathologie und Physiologie des Ayurveda besteht der Mensch aus Leib (Sarira) und Seele (Atma), wobei die Seele rein geistig - ohne Anfang und Ende - ist, und dem Körper fünf Elemente (Pancha Mahabhuta) zugeordnet werden, nämlich Erde (Prithvi), Wasser (Ap), Feuer (Agni), Luft (Vayu) und Äther (Akasa). Zu ihnen gehören fünf Sinnesorgane bzw. Augen, Haut, Nase, Zunge, After und Geschlechtsorgane. Der Körper setzt sich aus sieben Grundbestandteilen (Dhatus) zusammen, nämlich Chylus (Rasa), Blut (Rakta), Fleisch (Mamsa), Fett (Medas), Knochen (Asthi), Mark (Mejja) und Samen (Shukra). Die Gesundheit des Körpers ist durch die gleichmäßige Verteilung der drei Grundstoffe (Tri Dosa), nämlich Galle (Pita), Luft (Vayu) und Schleim (Kapha) bestimmt. Die Luft regelt die Nahrungsaufnahme, Entleerung, Atmung und den Blutkreislauf und ist die verbindende Kraft zwischen der Seele und dem Körper. Die Galle fungiert als Träger der Nahrungsverarbeitung und als Energieerzeuger in Form von Blut und Chylus. Der Schleim hat die Aufgabe des Einfettens und der Konservierung der körperlichen Stoffe. Danach bleibt der Mensch so lange gesund wie Luft, Galle und Schleim miteinander harmonisieren. Also sind nach dem Ayurveda Gesundheit und Krankheit humoralen Ursprungs.
Die ayurvedische Medizin basiert im Wesentlichen auf drei Sammelwerken wie Caraka Samhita, Susruta Samhita und Vagbhata Astanga Samgraha, die unter den Namen dreier Ärzte, historisch nicht greifbarer Persönlichkeiten, Caraka (1-2 Jahrhundert. v. Chr.), Susruta, (2- 4 Jahrhundert. n. Chr.) und Vagbhata (4- 6 Jahrhundert n. Chr. ) bekannt geworden sind. Die unter Vagbhata bekannte achtteilige Sammlung besteht aus folgenden Bereichen:
1. Chirurgie (Salya), 2. Innere Medizin (Kaya Cikitsa), 3. Augen, Ohr, Nase und Hals (Salakya), 4. Kinderkrankheiten (Kumara Bhritya), 5. Gegengift ( Agada), 6. durch Dämonen verursachte Krankheiten (Bhuta Vidya), 7. Alterskrankheiten (Rasa Yana), 8. Wiederherstellung der jugendlichen Kraft, Liebesmittel (Vaji Karana).
Bei den altindischen Ärzten scheint die Chirurgie am meisten entwickelt gewesen zu sein. Man operierte Blasensteine mittels des Steinschnitts, unternahm Kaiserschnitte und führte Staroperationen an der Augenlinse mit der Spitze einer Pinzette durch. Den Gipfel erreichte die Chirurgie bei den plastischen Operationen an Ohr und Nase. Dabei transplantierte man einen gestielten Lappen aus der Haut an den Ort der Verstümmelung. Anästhesie und Hypnose waren bei Operationen üblich.
Der britische Arzt James Esdaille (1808-1859) brachte die Hypnose von Indien nach Europa. Die altindischen Ärzte wussten, dass Blutungen aus den Lungen auf eine Schwindsucht hindeuten und kannten die Leberverhärtung im Zusammenhang mit Wassersammlungen im Bauch. Zum Studium der Anatomie liess man die Leiche im Wasser mazerieren. Dann wurde mit Bürsten die Haut abgeschabt, um genauere Kenntnisse über die körperlichen Organe zu sammeln. Die chirurgischen Lernexperimente wurden an Früchten, getrockneten Kürbissen, Lederbeuteln, Töpfen und Wachslumpen geübt.
Diagnose und Therapie: Die Heilkunde des Ayurveda basiert primär auf präventiven Maßnahmen. Zur vorbeugenden Therapie zählen persönliche und Sozialhygiene, Aufnahme von Mitteln gegen den Alterungsprozess und Jogaübungen zur Erreichung der Harmonie zwischen Geist und Körper. Der chinesische Mönch I- Tsang, der sich zehn Jahre lang (675-685) dem Medizinstudium an der damaligen buddhistischen Universität in Nalanda (Bihar) widmete, berichtet, dass in der indischen Medizin die Hygiene des Körpers mit der Reinheit des Geistes eng verflochten ist.
Zu den Gesundheitsregeln gehören Frühaufstehen, Zähneputzen mit einem Stöckchen vom Neembaum (Azadirachata indica), Morgenspaziergänge, Körpereinreiben mit Öl, Baden, Gebete (Puja), Sauberhalten von Gebrauchs- und Haushaltsgütern, usw.
Die kurativen Heilmassnahmen konzentrieren sich hauptsächlich auf die Beseitigung der kausativen Faktoren, die nach dem humoralen Prinzip des Ayurveda durch die morbiden Säfte des Körpers verursacht werden. Zur Eliminierung dieser Säfte verabreicht der ayurvedische Arzt dem Kranken erst Brech-, Abführ-, Inhalierungs- und Schnupfmittel, um die kranken Säfte des Körpers ausscheiden zu lassen. Bei der Behandlung des Kranken wird u. a. die Gemütsverfassung, das Temperament, die Veranlagung, die Jahreszeit, die Windrichtung und das soziale Umfeld in Betracht gezogen.
Nach dem Prinzip des Ayurveda steht die Nahrung im Zentrum der Heilung. Entsprechend der Lehre des Upanishad wird die Nahrung als höchste Schöpfung des Brahman betrachtet und es heißt: Aus Nahrung sind alle Geschöpfe geboren. Alle ernähren sich von der Nahrung, und wenn sie sterben, ernährt sich Nahrung von ihnen.
Die Medizin wird persönlich in harter Arbeit vom ayurvedischen Arzt, dem Vaid, aus den Produkten der Mineral- und Pflanzenwelt hergestellt. Die Anzahl solcher Heilprodukte beträgt über 700.
Das zweite alte Heilwesen Indiens ist die Unani, die arabische Bezeichnung für die auf dem Wort Ionien beruhende griechische Medizin, Es entwickelte sich wie folgt: Zunächst brachten die syrischen Christen (Jakobiten und Nestorianer) aus dem byzantinischen Reich das antike Geistesgut nach Persien. Sie wurden damals vom byzantinischen Kaiser Zenon (471-491) aus Edessa, aufgrund ihrer Ablehnung der Bilderverehrung von Jesus vertrieben. Sie fanden Aufnahme im Sassanidenreich ( 531-491) und ließen sich in Gondi Shapur (Khuzistan) nieder. Sie gründeten dort Ärzteschulen wie die Academia Hippocratica und Krankenhäuser zum Dienst Jesus (Bacht Jesus) und übersetzten die Werke von Hippokrates (5.-4. v. Chr.), Aristoteles (384-322 v. Chr.) und Plato (429-347 v. Chr.) ins Persische. Insbesondere blühte die Übersetzung von altmedizinischen Werken während der Zeit des Abbassidenkalifs Al Mamun (813-833), des Gründers von Bait ul Hikmat, was bedeutet wie Haus der Weisheit. So wanderte das bis dahin vergessene griechische Wissen über das Syrische ins Persische und schließlich ins Arabische.
Nach der eigentlichen Übersetzungswelle der antiken Medizin zeichnete sich eine eigenständige Entwicklung der islamischen Medizin bis zur fruchtbaren Assimilation mit der chaldäischen, indischen, persischen und orientalischen Medizin ab. Der Höhepunkt der islamischen Medizin begann mit dem persischen Arzt und Al-chemisten Al Razi (865- 925), der im europäischen Mittelalter als Al Rhazes mit seinen Werken Liber Continens (al Havi), Liber Medicinalis Al Mansuri (Kitab el Mansuri) und Schriften über Pocken und Masern bekannt geworden ist. Der größte Arzt neben Rhazes war ebenfalls ein Perser, der Philosoph Ibn Sina (985-1036). Sein unter Avicenna berühmt gewordenes enzyklopädisches Werk Canon Medicinae (Qanun fi al Tibb) wurde jahrhundertelang an den europäischen Universitäten in Toledo, Palermo, Paris, Oxford und Heidelberg gelehrt. Auch die islamische Heilkunde setzte Normen zur Institutionalisierung der Ausbildungsschulen (Tibbia Madarsa) und zur Einrichtung der Krankenhäuser (Darus Shifa) und Bade- und Massagekulturen (Hammam) als Keimzelle in bis dahin unbekanntem Ausmaß.
Die Machtkämpfe islamischer Dynastien untereinander, die Zersplitterung der Kalifate (Baghdad, Cairo, Cardoba, usw.), die Kreuzzüge (1099-1291) und schließlich die Eroberung des Abbasidenzentrums Baghdad 1258 durch den Mongolenkönig Hülego, zerstörten die bis dahin blühende islamische Kunst, Literatur und Wissenschaft im Nahen und Mittleren Osten.
Der geschilderte Zustand führte dazu, dass die islamischen Gelehrten, darunter zahlreiche Hakims, in das indische Reich kamen, das durch den türkischen Sklaven- Feldherrn Qutb ud din Aibak auf indischem Boden 1206 gegründet worden war. Erst als Delhi als Hauptstadt der Sultanate geworden war, (1206-1526) entwickelte es sich zum Geisteszentrum des Islam. Die Hakims wurden zu Hofärzten und schrieben Arbeiten über die Unanimedizin in Indien. Zu diesen bekannten Werken in Indien zählen Tibbe Firoz Shahi, geschrieben zwischen 1288 und 1296, während der Herrschaftszeit von Firoz Shah Tughluk und die Drogenkunde Tibb e Sikandari von Mian Bhuwa, verfasst für den König Sikandar Shah Lodhi (1498-1518). Babar, der Gründer des Mogulnreiches ( 1526-1530) brachte Hakims aus seiner Heimatstadt Samarkand nach Indien mit wie Hakim Jusufi, der zahlreiche Abhandlungen über die Unanimedizin schrieb. Hier sind noch zu erwähnen Frishta (1570-1625), einer der größten Geschichtsschreiber über die moslemischen Herrscherdynastien Indiens, der auch ausführlich über die Systeme der Medizin (Dasturul Attiba) des Ayurveda und Unani schrieb. Khan Zaman, entwickelte in der Zeit von Shah Jahan (1628-1658) mit der altindischen Drogenkunde äquivalente Begriffe für die Unanipharmakologie und schuf damit eine entscheidende Grundlage zur Popularisierung der Unani unter dem Volk. Zur Verbreitung dieser Medizin trugen im 18. Jahrhundert die Übersetzungen aus dem Arabischen und Persischen ins Urdu (entstanden als Bazarisprache der Soldaten aus dem Wortschatz des Türkischen und Persischen und des Sanskrit) bei. Darüber hinaus bauten die Hakims viele Krankenhäuser in Indien, die auch als Ausbildungsorte dienten.
Diagnose und Therapie: Der Hakim als Treuhänder der antiken Medizin zeigt große Aufmerksamkeit bei der Diagnostik, insbesondere beim Pulsfühlen und bei der Urinuntersuchung. Nach der galenischen Säftelehre ist die Krankheit humoralen Ursprungs. Die vier Säfte Blut, Schwarze Galle, Gelbe Galle und Schleim sind demnach die Hauptverursacher der Krankheit.
Die Unani besteht aus folgenden Diziplinen: 1. Anatomie (Tashrihul Aaza), 2. Diätetik (Ilm ul Ghiza), 3. Opthalmologie (Ilm i. Chassam), 4. Pharmakologie (Dawa Sazi), 5. Physiologie (Manafi ul Aaza), 6. Chirurgie (Jarrahi), 7. Therapie (Tashkhis Mualiyat).
Die ideale Form der Behandlung ist die diätetische, die Hygiene und die Regelung der Lebensweise. Sie basiert weitgehend auf den religiös-theoretischen Grundsätzen des Islam. Fünf Gebete pro Tag (Namaz), rituelle Waschungen (Wudu) vor dem Gebet, Beten in sauberen Kleidern und an sauberen Orten, gründliche Waschungen (Taharah) nach dem Wasserlassen und dem Stuhlgang, die sexualhygienischen Vorschriften, das Verbot (Haram) bestimmter Speisen und Getränke (Alkohol) sowie das Fasten (Ramadan) werden als vorbeugende Maßnahmen zum Erhalt der Gesundheit und Schutz gegen Krankheiten bewertet.
Die Drogenkunde und das Apothekenwesen (Dawa Khana) sind in Unani sehr weit entwickelt. Die islamischen Ärzte übernahmen die wirksamsten Arzneimittel, die sie in den Altkulturländern der Welt vorfanden. Zur Ausmerzung der morbiden Säfte werden häufig Abführ- und Brechmittel verabreicht. Beim Versagen sämtlicher Anwendungen wird die Öffnung der Vene praktiziert, um vergiftetes Blut abfließen zu lassen.
Synthese zwischen Ayurveda und Unani: Die Temdenz zu einer Synthese begann mit der Förderung beider Systeme durch das Mogulnreich (1526-1857). Die persischen Gelehrten übersetzten die Unanibücher aus dem Arabischen ins Persische, und die brahmanischen Hofbeamten übersetzten die ayurvedischen aus dem Sanskrit ins Persische. Das erleichterte das Verständnis für beide Systeme, die nicht weit von- einander entfernt waren, da sowohl Ayurveda als auch Unani die Krankheitsursachen in einem humoralen Ungleichgewicht sehen. Auch basiert die Heilkunde beider Systeme primär auf präventiven Maßnahmen. Die indische Herrscher und der Landadel waren eigentlich die Hauptpatronen der Vaids und Hakims. Der ayurvedische Arzt (Vaid) übernahm die Technik des Pulsfühlens, das Opium und Quecksilber, die Alchemie vom Unaniarzt Hakim, und der Hakim erweiterte seine Drogenkunde aus dem Wissen des Vaids, dass nicht selten Hakims zu Vaid werden ließ und umgekehrt.
Die Homöopathie (griechisch, gleichartig) geht auf die Lehre des deutschen Arztes Samuel Hahnemann (1755-1843) zurück, der die Auffassung vertrat, dass „Ähnliches durch ähnliches geheilt werden kann“. Erstaunlicherweise kam die Homöopathie schon zu Lebzeiten von Hahnemann nach Indien. 1835 reiste ein Anhänger dieser Medizin, John Martin Honigberger aus Rumänien, nach Indien und heilte das Fußleiden des Maharaja Ranjit Singh von Lahore (1780-1839). Er lebte noch bis 1860 in Kolkata und wurde dort bekannt als Arzt für Cholera. Zu den ersten homöopathischen Ärzten gehörte Mahindra Lal Sircar, der 1860 ein homöopathisches Journal, - Indian Medical Review-, ins Leben rief. Bereits 1878 wurde das Calcutta Homooepathic College gegründet. Nach Frankreich, den USA, Deutschland ist Indien der viertgrößte Abnehmer der homöopathischen Produkte in der Größendordnung von über einer Milliarde Dollar. Die Ursache der Beliebtheit der Homöopathie in Indien liegt auch darin, dass die Medizin als solche dem Patienten billig in kleiner Dosierung verabreicht wird, die sich auch die ärmere Bevölkerung leisten kann. Dazu trägt auch generell die Einstellung der Inder bei. Die weit überwiegende Mehrheit der indischen Bevölkerung sieht die Ursache der Krankheit in multidimensionalen Kategorien und bedient sich der multivariablen Formen der Behandlung. Die Therapie beschränkt sich selten auf ein Medikament oder auf eine Behandlungsart.
Unter der Volksmedizin werden primär die Heilmethoden des Volkes, insbesondere der ruralen Bevölkerung verstanden, die ihre Medikamente noch zu Hause mit Hilfe der vorhandenen Kräuter und Pflanzen herstellt und auch dabei auf die Hilfe von Göttern, Geistern (Bhut, Jin, Malach), Exorzisten (Jhar Pooch Wala), Zauberer (Jadu Wala), Sanyasis, Sadhus und Pirs (Heilige) zurückgreift. Unabhängig vom Grad der Armut und des Reichtums glauben die meisten Inder an die irdischen und außerirdischen Kräfte als Faktor der Gesundheit und Krankheit. Bei Knochen- brüchen werden nicht selten die Schreiner (Barhi), bei offenen Wunden die Barbiere (Hajam), bei Augen-, Nasen- und Ohrenproblemen die Ohrenschmalzentferner und bei Schlangenbissen die Schlangenbeschwörer zur Hilfe gerufen.
Seit dem Aufkommen der britischen Herrschaft hat sich die moderne Medizin in Indien fest verankert und ist als die offizielle Medizin geblieben. Zum Beginn des 19. Jahrhunderts kam sie erst durch die ostindische Gesellschaft in die Handels- und Verwaltungsstädte (Kolkata, Madras, Mumbai) zur Versorgung ihres Personals und der indischen Soldaten (Sepoys) und schon 1822 wurde eine Medizinschule nach britischem Vorbild in Kolkata gegründet. Seitdem sind die medizinische Ausbildung, das Krankenhauswesen und die Gesundheitsversorgung westlich orientiert geblieben und dienen in erster Linie den wohlhabenden Schichten Indiens.
Die moderne Medizin kann nur im Zusammenhang mit den Ernährungs- und Wohnverhältnissen des Volkes erklärt werden.Die Situation ist so, dass zwei Drittel der indischen Bevölkerung unter den Symptomen der Unterversorgung mit Nahrungsmitteln bzw. schlechter Ernährung leiden. Die unteren Armen (lower poor), ca. 35 Prozent der Bevölkerung, erhalten zu wenig Kalorien und substanzreiche Nahrungsmittel. Die zweite Kategorie von Armen (poor), 30 Prozent, ernährt sich mit einseitiger Kost und mit billigen Getreidesorten. Die gehobene Schicht der Mittelkasse, die bis zu 30 Prozent der Bevölkerung ausmacht, ist dagegen gut ernährt. Die obere Klasse (rich) von 5 Prozent ist überernährt. Die Tatsache, dass der Verzehr von Fleisch, Fisch, Eiern und sonstigen tierischen Produkten von über 60 Prozent der Bevölkerung vermieden wird, trägt zum Mangel an eiweiß- und proteinhaltigen Nährstoffen bei, die zum Ausgleich über den ausreichenden Konsum von Hülsenfrüchten und Linsenarten nötig wäre, der aber aufgrund des Exports dieser Produkte und des zunehmenden Anbaus von cash crop für die arme Bevölkerung nicht ausreichend vorhanden ist. Früchte, Obst und Milch als reichhaltige Träger von wichtigen Nährstoffen kann sich die große Mehrheit der Bevölkerung nicht leisten. Das Bruttoinlandprodukt pro Einwohner von ca. 1290 Dollar ist so niedrig, dass das meiste davon für einfache Nahrungsmittel ausgegeben werden muss, um satt zu werden.
Auch die Wohnverhältnisse tragen nicht minder zur Verschlechterung der Gesundheit des Volkes bei. Lediglich drei Viertel und ein Drittel der Bevölkerung haben jeweils Zugang zu sauberem Wasser und sanitären Einrichtungen. Noch lebt über 70 Prozent der indischen Bevölkerung in den Dörfern, die aus dicht nebeneinander gebauten und instabilen Häusern bestehen, wo Alt und Jung, Mensch und Tier, Gesunde und Kranke auf beengtem Raum zusammenleben, ohne ausreichende Ventilations- und Kanalisationsmöglichkeiten.
Infolge der Industrialisierung ist der Anteil der städtischen Bevölkerung in wenigen Jahren vielfach angestiegen, insbesondere von Delhi, Mumbai, Kolkata, Chenai, Bangalore, Hyderabad, Ahmedabad, Kanpur, Poona, deren Bevölkerung sich zur Zeit auf über 40 Prozent der gesamten urbanen Bevölkerung beläuft. Ein beträchtlicher Teil der dortigen Einwohner lebt in Slums oder in ähnlichen Siedlungen.
So entstehen durch die mangelnde Ernährung, Wohnverhältnisse und medizinische Versorgung unzählige Arten von Infektionskrankheiten sozusagen Krankheiten der Armut.
Schlussfolgerung: Aus der bisherigen medizinischen Versorgung geht hervor, dass keins der heutigen Systeme in der Lage ist, die Gesundheitsbedürfnisse der armen Bevölkerung zu gewährleisten. Sowohl Ayurveda als auch Unani sind in erster Linie die Medizin des indischen Hofs und des Landadels gewesen. Ihre Heilungsgrundsätze basieren auf präventiven Maßnahmen bzw. auf der Grundlage gesunder Nahrung und Umwelt, die dem einfachen Volk fehlt. Hinzu kommt, dass sie aufgrund fehlender Ausbildung zur modernen Diagnose und Therapie der infektiösen Krankheiten und fehlender Kenntnisse mit chirurgischen Eingriffen, ihre Patienten an die modernen Ärzte verlieren.
Auch können sie sich nicht gegen die übermächtige Finanzlobby und die Werbemethoden der modernen Ärzte und Pharmakonzerne behaupten. Infolge der Landbesiedlung, Urbanisierung, Abholzung der Wälder und Berghänge sind ihnen die Heilpflanzen und Kräuter für ihre Medizin zum großen Teil abhanden gekommen. Was davon übrig bleibt, wird von Pharmakonzernen erworben, die ehemaligen Kräutersammler arbeiten jetzt zunehmend für die Pharmakonzerne. Aus dieser veränderten Marktlage haben sich die Großproduzenten von Ayurveda wie Himalaya mehr für die Naturkosmetik, Pflegeprodukte, Gewürzkräuter, Biotee, Anti Aging Mittel und Aphrodisiaka spezialisiert, die auch vermehrt mit Jogameditation und Wellnesstherapie kombiniert werden. Auch die Produktpalette der Unaniunternehmen von Hamdard Dawakhana unterscheidet sich wenig vom Ayurveda. Die noch kleineren Vaids und Hakims verkaufen verstärkt die Präparate der Pharmakonzerne, um existieren zu können. Aus dieser Konkurrenz mit den Pharmakonzernen ergreifen die Vaids, die seit Jahrhunderten mehrheitlich der Schreiber-Kaste (Kayasht) stammte, heute die modernen Berufe. Auch der Hakim gehörte früher zu den Familien des moslemischen Landadels, die es auch nicht mehr gibt.
Indien kennt keine Kranken- und Sozialversicherung für das Volk. Es sind schätzungsweise lediglich 8 bis 10 Prozent der Bevölkerung beschränkt versichert, die im öffentlichen Dienst und bei Großkonzernen tätig sind. In Ermangelung solcher Versicherungen kann sich die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung auch den Arbeits- und Lohnverlust nicht mehr leisten und ist angewiesen auf die schnellen kurativen Mittel der Pharmaindustrie, um ihre Existenz sicher zu stellen. Aus diesem Grund liegt der Anteil der Pharmaausgaben pro Kopf der Bevölkerung Indiens bei fast 45 Prozent der Gesamtgesundheitsausgaben, in den westlichen Ländern nur bei 10 Prozent, die zum Großteil auch noch vom Staat finanziert werden. Die indischen Ärzte erhalten Kommission für die Präparate der Pharmakonzerne, die sie an Patienten verschreiben, da diese ihnen mehr Einkommen sichern als ihre Konsultationshonorare. Aufgrund fehlender Kontrollmechanismen des Staates und der Unwissenheit der Bevölkerung liegt der Anteil an falschen, nutzlosen und verfallenen Arzneimitteln, die in Indien verkauft werden bei über 20 Prozent.
Auch die Krankenhäuser Indiens sind aus diesem Grund nicht mehr geeignet für die Versorgung des Volkes. Es gibt private und staatliche Krankenhäuser. Die privaten befinden sich vornehmlich in den Großstädten, sind modern eingerichtet und mit neuesten Geräten ausgestattet, der Aufenthalt dort kostet über 100,- Dollar pro Tag oder mehr, was ein einfacher Arbeiter im Monat verdient. Bereits vor der Zulassung muss man dem Krankenhaus eine bestimmte Summe im Voraus zahlen. Die staatlichen Krankenhäuser befinden sich an den kleineren Orten. Sie sind mit minimalen Mitteln ausgestattet und vermitteln ein Bild der Verwahrlosung. Auf die Bevölkerungszahl von über 1, 2 Milliarden Menschen verteilt, erhalten sie vom Staat einen jährlichen Betrag von fünf Dollar pro Einwohner, darin sind auch die Gehälter für Personal und die Unterhaltungskosten der Einrichtung enthalten. Die Ärzte dieser öffentlichen Anstalten sind kaum dort präsent, betreiben ihre privaten Praxen und verkaufen die vom Staat zur Verfügung gestellten Medikamente an ihre Privatpatienten. Der desolate Zustand der staatlichen Krankenhäuser trägt vielfach dazu bei, dass die arme Bevölkerung diese als die letzte Sterbestelle betrachtet.
Es ist ersichtlich, dass mit fortschreitender Industrialisierung und Einkommens- steigerung der Einfluss der modernen Medizin verstärkt zunimmt und damit die einheimische Medizin nach und nach verdrängt. Dennoch beobachten wir, dass Indien neben der Moderne noch mit den archaischen Vorstellungen lebt, was darauf hin deutet, dass die Volksmedizin mit ihren vielfältigen Facetten niemals ganz von der Bildfläche Indiens verschwinden wird, unabhängig davon, in welchem Maße das Land industrialisiert wird.
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