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Musik in Indien
Der indische Subkontinent ist bekanntlich ein Sammelbecken verschiedener Völker, Kulturen und Sprachen. Die Eroberer Indiens aus Arabien, Persien, Zentralasien und Europa brachten ihre Musik und Instrumente mit, die in Indien noch heute in unterschiedlicher Form gespielt werden.
Der Ursprung der indischen Musik geht auf die Induszivilisation (2500-1500 v. Chr.) in Mohenjodaro und Harappa (Nordwesten) zurück. Die Musikinstrumente wie z. B. die gewölbte und bogenförmige Harfe sowie einige Typen von Trommeln gehen auf diese Zeit zurück, auf Münzen der damaligen Zeit entdeckte man sie. Ähnliche Abbildungen der Musikinstrumente fand man im Zweistromland von Mesopotamien, da die Völker der Indusregion und Mesopotamien Handelsbeziehungen miteinander pflegten. Auch die späteren indoarischen Einwanderer brachten ihre Musikinstrumente mit nach Indien. Aus der vedischen Literatur (2000 v. Chr.) wissen wir, dass sie über einige Blas,- Saiten- und Trommelinstrumente verfügten, die sie vornehmlich bei den religiösen Festen und Opferzeremonien spielten.
Die theoretischen Schriften über die indische Musik stammen bereits aus dem 1. Jh. n. Chr. und befinden sich im Natyashastra, dem Lehrbuch der Theaterkunst, verfasst von Bharata. Seit dem 10. Jh. unterlag Nordindien
islamischem Einfluss, der sich auch in der Musik deutlich bemerkbar machte. Mit der Kolonialisierung im 18. Jh. drangen schließlich Elemente europäischer Musik in Indien ein.
So gesehen ist die heutige indische Musik im wahrsten Sinne multiethnisch, multikulturell und multireligiös.
Formen der indischen Musik
In der bisherigen Literatur wird die heutige indische Musik in vier Kategorien aufgeteilt.
1.Stammesmusik 2.Volksmusik 3.moderne Musik bzw. Filmmusik 4. Kunstmusik, die auch als klassische oder religiöse Musik bezeichnet wird.
Die Stammesmusik wird von der Volksgruppe der Adivasi (Ureinwohner), die ca. 8% der indischen Bevölkerung ausmacht, gespielt. Aufgrund ihrer Siedlung in abgelegenen Berg- und Waldgebieten blieb ihre Musik weitgehend unberührt von den Hauptströmungen der indischen Kultur und entwickelte ein der Umgebung angepasstes Musikrepertoire und Musikinstrumente, die noch heute weitgehend unverändert geblieben sind.
Die Volksmusik entwickelte sich primär in den Agrargebieten und ist unterschiedlich je nach Ethnien, Regionen und Sprachen. Sie gibt die essentiellen Ereignisse des dortigen Lebens wieder. Die Gesänge sind der Geburt, dem Tod, dem Ackerbau, dem Erntedank und den dörflichen Zeremonien gewidmet. Sie werden im Chor gesungen, einer der Sänger gibt Takt und Ton an. Die Gesänge werden von einfachen Klanginstrumenten begleitet wie Glocken (Ghanti im Norden, Mani im Süden), Metalltellern (Thali im Norden, Talam im Süden), Gefäße aus gebranntem Ton (Ghara, Nut), Schellen, Schlagstäben, Streichbögen, Trommeln, Hörnern, usw. Die Volkstänzer tragen Fußschellen (im Norden Ghungru, im Süden Gejjai). Jede Sprache und soziale Gruppe hat eigene Lieder, Gesänge und Instrumente. Zu den Volksmusikern gehören die herumziehenden Bettler, Blinden, Fakire und Sadhus, denen man auch in den Zügen und an öffentlichen Plätzen mit ihren Sarangis (Streichinstrument mit zwei Saiten), kleinen Trommeln (Dhol, Dholak) und Flöten (Bansuri) begegnet. Zu den Volksmusikern gehören auch die Erzähler von Epen wie Mahabharata und Ramayana, und die Sänger von Helden- und Liebesgeschichten, die ein Wanderleben führen und gehören häufig zu den unteren Kasten von Dom und Mirasi gehören. Infolge der rapiden Urbanisierung der indischen Gesellschaft und der Verbreitung der modernen Musik verliert diese Volksmusik zunehmend ihre bisherige Beliebtheit und Bedeutung.Die moderne Musik Indiens, die auch als Filmmusik bezeichnet wird, hat im Laufe der Jahre bei allen Bevölkerungsschichten enorm an Popularität gewonnen. Indien ist z. Z. der größte Filmproduzent und die Inder sind auch die eifrigsten Kinogänger der Welt. In ihren Filmen spielen die Lieder eine überragende Rolle. 10 bis 12 Lieder zählen zum normalen Repertoire eines Films, Lieder über Liebe, Trennung, Glück und Unglück. Die Dichter und Sänger der Filme werden vom Volk sehr verehrt. Ein normaler Film besteht aus indischer und europäischer Musik. Zu den indischen Instrumenten kommen die europäischen wie Cello, Gitarre, Klarinette, Piano, Saxophon, usw., und dadurch entsteht eine Art von indo-europäischer Filmmusik in Indien . In letzter Zeit hört die indische Jugend gerne westliche Popmusik und die dieser ähnlichen Bhangra, Dandia und Garba, Musikrichtungen, die insbesondere von in Großbritannien geborenen Punjabis und Gujaratis entwickelt werden.
Dagegen hat die klassische Musik ihre Wurzeln in altindischen Musikinstrumenten und in vedischen Gesängen. Als Ausgangspunkt für die Entwicklung der klassischen Musik gilt der Samaveda, Gesang der Priester bei den Opferzeremonien. Diese Musik stützt sich primär auf den Raga (Farbe, Leidenschaft). Der Begriff als solcher taucht bei dem Autor Matanga erst im 9. Jh. n. Chr. Auf. Da bei dem Raga weder die Tonhöhe noch die Reihenfolge der Modulation präzise festgelegt ist, bleibt er im wesentlichen ein Musikkonzept der Improvisation. Der Raga kennt keine Regeln, er ist göttlich, so sagen ihre Musiker. Ihm werden Zauberkräfte zugeschrieben, er kann Deepak (Lichter), Feuer (Agni) und Megh (Regenwolken) hervorbringen.
Ohne auf die komplizierte überlieferte Musikbeschreibung des Raga einzugehen, werden hier lediglich die Grundelemente dargelegt. Eine festgelegte Komposition im europäischen Sinne ist dem Raga fremd. Jeder Ausführende ist immer zugleich auch selbst Komponist, der im Rahmen bestimmter Regeln und Modelle die Musik frei gestaltet. Ein Raga muss mindestens fünf Noten enthalten, einen Namen haben, einen der Gefühlsinhalte (Freude, Kummer) und eine der Jahreszeiten darbieten, einem der Göttergestalten des Hinduismus gewidmet sein, und in einem der drei Tempi, nämlich langsam, mittel, schnell (vilambit, madhya, drut) gespielt werden. Zur Musikpraxis des Raga hat eine siebenstufige Tonskala (Murtcana) als Richtschnur gedient und zur Festlegung der Tondistanzen wurde im 1. Jh. ein Maßintervall festgelegt. Man fand es durch Zerlegung der Oktave in 22 Schruti (gehörte Offenbarung der Rishis), Mikrotone genannt. Vier solcher Schruti ergeben den intensivsten Ganzton (8:9), zwei Schruti den Halbton (15:16). Die Melodien werden in 18 Stufen, in Jatis, aufgeteilt. Im Laufe der Zeit sind neue Ragamelodien mit unterschiedlichen Tonkombinationen als eigenständige Ragas entstanden. Von den über mehreren tausend bekannt gewordenen Ragas sind heute noch einige hundert in Gebrauch. Nach dem Raga ist das Tala (Klatschen und Schlagen) das Hauptelement der klassischen Musik, das sehr systematisiert und strukturiert ist. Das Tala ist auch eine Bezeichnung für den rhythmisch-metrischen Verlauf einer melodischen Periode, es dient als Vorlage für die Metrisierung von Musikstücken. An den Tala-Perioden orientiert sich die Länge der Melodie, und aus den Talaschlägen werden die Grundzeitwerte für Melodie und Trommelspiel gewonnen. Jeder Art des Trommelschlags, ob am Rand oder in der Mitte der Trommel, ob mit den Fingerspitzen, mit der Handfläche, der linken oder der rechten Hand, leicht oder kräftig, wird durch eigene mnemotechnische Silben (Bol), z.B. dha, dhin, da, din gekennzeichnet. Zu den häufigsten Talamodellen gehören mit unterschiedlicher Anzahl von Schlägen die Dadra (6 Schläge: 3+3), Jhampa (10 Schläge: 2+3+2+3), Chautal (12 Schläge: 2+2+2+2+2+2), Dhamar (14 Schläge: 5+5+2+2) und Tintal (16 Schläge: 4+4+4+4+4). Für die Rhythmisierung der Musik spielt der Trommelspieler eine unverzichtbare Rolle. Der Vortrag von Melodie und Trommelpart zeichnet oft hohe Virtuosität aus, dabei wird auch hier überwiegend improvisiert.
Die Darbietung eines Raga beginnt meist mit einem Alapa, einer freien Introduktion ohne festes Metrum. Im Alapa entwickelt der Musiker das Tonmaterial des betreffenden Raga und somit wird der Hörer mit dem entsprechenden Raga vertraut gemacht. Nach dem Alapa, der nicht länger als eine Stunde dauern darf, folgt der Hauptteil, in dem der Solist seine Musikalität und Geschicklichkeit präsentiert. Hier verarbeitet er das Tonmaterial, übernimmt die tradierten Modelle und entwickelt dabei seine eigene Komposition. Dieser Teil ist metrisch straff gegliedert und wird von einer Trommel begleitet.
Die klassische Musik Indiens ist ihrem Wesen nach solistisch, in der Regel musiziert ein Sänger oder Instrumentalist gemeinsam mit einem Tanbura-spieler. Meist ist ein Trommler dabei. Im Unterschied zum Tanburaspieler, der lediglich eine musikalische Begleitfunktion erfüllt, ist der Trommler zumindest ebenbürtiger Partner des Solisten. Es entwickelt sich gelegentlich ein spielerischer Wettstreit zwischen Solist und Trommler, in dem jeder versucht, den Partner an rhythmischer Präzision sowie an musikalischer Brillanz zu übertreffen. Den höchsten Rang in der klassischen Musik nehmen Ensembles mit fünf bis sechs Musikern ein, bei denen sehr häufig Saiteninstrumente, der Sitar, das Sarod und das Blasinstrument Shahnai (Nagasuram im Süden), Tabla (Myrdanga im Süden) und Tanbura (Bordunlaute) sowohl im Süden als auch im Norden eingesetzt werden.
Die klassische Musik wird in Nordindien auch als Hindustanimusik bezeichnet. Sie unterscheidet sich in einigen Aspekten in Stil und Ausführung von der Karnatakamusik des Südens. Der Unterschied liegt darin, dass viele Texte und Regeln von Raga und Tala in der karnatischen Musik durch bekannte Komponisten des 15. Jahrhunderts wie Muthuswami, Syamasastri und vor allem durch Tyagaraja (1767-1847) festgelegt worden sind, deren Musiktexte sich auf hinduistisches Gedankengut beziehen.
Dagegen geht die Verbreitung der Hindustanimusik in Norden auf die Unterstützung der moslemischen Herrscher und insbesondere der Moghulkaiser (1526-1857) zurück. Obwohl im Islam normalerweise die Musik verpönt ist, pflegten die moslemischen Herrscher in Indien die Musikkultur sehr und hielten an ihren Höfen Musiker in großer Zahl. Die Sufis trugen auch zur Popularität der Musik bei und bedienten sich dieser für ihre Meditation (Sama). Amir Khusro (1253-1325), der am Hofe des Sultans von Delhi, Allauddin Khilji (1288-1296), lebte, führte die Sitarmusik und Meditationslieder bei dem berühmtesten Sufi Nizamuddin Aulia ( 1238-1325) in Delhi ein. Am Hofe Akbars des Großen (1556-1605) lebte der legendäre Raga Sänger Tansen (geb. um 1500 in Gwalior).
Der Raga löste sich in Nordindien und Dekkan (Südindien) bzw. im Regierungsbereich der moslemischen Dynastien weitgehend von den sakralen und rigiden Regeln des Hinduismus. Die moslemischen Musiker waren der Sanskritsprache nicht mächtig, konnten also weder Ragatexte genau interpretieren noch hatten sie Interesse daran, sich mit den religiösen Inhalten zu identifizieren. So entwickelten sie eine säkulare Form der Ragamusik und führten noch ihre Musikinstrumente wie Sitar, Darod, Shahnai, Tabla, die sie aus ihren jeweiligen Heimatländern mitgebracht hätten, ein, was im Laufe der Jahre zu einer großen Bereicherung der klassischen Musik Indiens beitrug.
Zu den bekanntesten Formen der damaligen Musik, die auch Hindustanimusik genannt wurde, gehören: Dhrupad, Khayal, Tarana, Thumri, Bhajan und Ghazal. Mit Ausnahme des Ghazals lehnen sich alle an die alte Tradition der klassischen Musik an.
Der Dhrupad (Sanskrit: fester Boden) geht auf die Erfindung von Tansen zurück. Der Dhrupad wird als heilig betrachtet und zum Lobe der Götter, Natur und der Heiligen gesungen. Bei der Gestaltung dieser Musik wird in der Regel die zylinderförmige Trommel (Pakhwaj) mit zwei Membranen benutzt, die eine große Lautstärke erzeugt.
Khayal (Persisch: Imagination) ist mehr den moslemischen Herrschern und Heiligen gewidmet, er wird in einem sehr langsamen oder aber im achtfach schnelleren Tempo gesungen und vielfach von dem Streichinstrument Sarangi begleitet.
Der Erfinder des Tarana (Hindi: Verwandeln) ist der bereits erwähnte Amir Khusro. Bei dem Gesang wird versucht, Wörter ohne Bedeutung zu singen und die Geräusche der Natur (Bäume, Blätter, Wasser, Wind und Vögel) durch menschliche Stimmen zu ersetzen.
Die Thumri (Hindi: Thumakna, was so viel bedeutet wie tänzerisch erotische Bewegung) geht auf die Erfindung von Wajid Ali Shah, Nawab von Awadh (1822-1857) in Lucknow (1822-1857) zurück, einem der größten Pioniere der Hindustani Musik. Er war auch einer der bekanntesten Tänzer seiner Zeit, schrieb zahlreiche Abhandlungen über Musik und Tanz in Indien. Der Tanz von Thumri wird immer von Trommler (Tabalchi) begleitet. In einigen Teilen Nordindiens wird die Thumri auch Dadra genannt.
Der Bhajan (Sanskrit: Ergebenheit) ist durch eine mystische Gesangbewegung im 15. Jh. entstanden, wird vom einfachen Volk zum Lobe der Götter und Heiligen im Chor gesungen. Kabir, der Mystiker und Dichter aus Benares, der sowohl von Hindus als auch von Moslems und Sikhs wie ein Heiliger verehrt wird, schrieb im 16. Jh. unzählige Gesänge in der nordindischen Volkssprache von Bhojpuri, die noch in den Bhajans und bei den Sikhs in Gurduwara gesungen werden. Auch Tulsidas, vermutlich der Zeitgenosse von Kabir, der Ramayana im Awadhi Hindi dem Volk bekannt machte, schrieb auch Texte für die Bhaktigesänge.
Alle diese Formen der Hindustanimusik sind für das Volk zwischen dem 15. und 18. Jh. in Nordindien (Uttar Pradesh) in dem dort gesprochenen Hindidialekt wie Bhojpur, Brajbhasa und Awadhi entstanden.
Der Ghazal (Arabisch: Liebeslied), entstanden im 15. Jh., zählt zu einer der populärsten Dichtungsgattungen der Urdusprache, die sich von Lehnwörtern aus Hindi, Persisch und Türkisch ableitet. Die Gazals werden von den Qauwals (Gazalsänger) bei den moslemischen Hochzeiten, den Musharas (Wettbewerb zwischen Qauwals) und an den Darghas (Gräber) von Sufis mit Tabla und Harmonium gespielt. Auch die gebildeten Sikhs und Hindus in Nordindien, insbesondere in Punjab, Haryana, Uttar Pradesh und Delhi hören gerne Ghazals. Die Bollywoodfilme sind ohne Ghazal undenkbar.
Infolge des uralten Kastenwesens sind alle bisherigen Berufe von einer Generation zur anderen übertragen worden. So blieb auch der Beruf des Musikers eine Angelegenheit der Familie, die Gharana. In Anbetracht fehlender Schreibtradition spielte die einzelne Familie eine unverzichtbare Rolle bei der Übergabe der Musikkünste innerhalb des Familienverbandes.
Nach dem Zerfall der Moghulndynastie 1857 flüchteten die damaligen Musiker von Delhi zu den Höfen der Landesfürsten von Arcot, Gawalior, Hyderabad, Indore, Jaipur, Jodhpur, Junagarh, Kashmir, Lucknow, Patiala, Rampur, usw., und wurden dort die Hofmusiker. Ihre Gharanas leben noch in diesen Städten. Die einzelnen Gharanas als solche sind bekannt für die jeweilige Eigenart ihres Stils, ihrer Stimmhöhe, ihres Tempos, ihrer Einführung (Alapa), ihrer Vokalakzente, Innovationen, Ausbildungsmethoden, usw. Es gibt Gharanas, die sich ausschließlich auf eine Musikrichtung wie Raja, Dhrupad oder Khayal (Agra, Gawalior, Jaipur, Patiala) oder Thumri (Benares, Lucknow) spezialisiert haben. Es gibt heute noch Familien, die für die Beherrschung bestimmter Musikinstrumente wie Sitar, Sarod, Shahnai, Tabla und deren Innovationen bekannt sind. Aus dem Rampur Gharana kommt der sehr bekannte Ustad Allauddin Khan (1881-1972), der Schwiegervater von Ravi Shankar (geb. 1920). Zu den von altersher berühmten Sitar-Gharana aus Jaipur gehören Imrat Khan und Ustad Vilayat Khan. Der Gharana von Ustad Ali Akbar Khan (geb.1922) ist noch heute federführend auf dem Gebiet der Sarodmusik; das Sarod besitzt das größte Tonvolumen aller Seiteninstrumente. Darüber hinaus sind einzelne Trommlerfamilien wie der Ustad Allarkha und die Gharana der Pakhwajmusik von Kudai Singh erwähnenswert, die seit der Regierungszeit von Wajid Ali Shah in Lucknow leben. Der Gharana von Nana Panse aus Maharashtra wird als Erfinder neuer Trommelidiome verehrt.
Es waren die Mitglieder dieser Gharanas wie Ali Akbar Khan, Allauddin Khan, Nithil Ranjan Banerjee, Imrat Khan, Ravi Shankar, Vilayat Khan, Ustad Allarakha, die die Musik Indiens durch ihre Konzerte dem europäischen Publikum bekannt machten und es damit begeisterten. Mit ihnen zusammen trugen z. B. die Beatles und der Geigenvirtuose Yehudi Menuhin (1916- 1999) in den sechziger Jahren zur Integration der indischen Musik in die westliche Musik bei. Nach dem Ende der Hippiewelle ließ die bisherige Begeisterung für die indische Musik beim europäischen Publikum nach. Kenner der Materie behaupten, dass aufgrund der gewaltigen Unterschiede zwischen indischer und westlicher Musik die Integration beider Tonsysteme äußerst schwierig ist.
Auch infolge des veränderten Zeitgeistes verlieren die Gharanas ihre Bedeutung. Aufgrund der modernen Technik haben sich die Lernmethoden der Musik gewaltig geändert, und die Kompositionsgeheimnisse sind transparenter geworden. Es gibt heute zahlreiche moderne Musikschulen, die jedem Interessierten zugänglich sind und nicht mehr an die traditionellen Lernverpflichtungen und Familienbeziehungen von Guru und Chela oder Ustad und Shagird (Lehrer/Schüler) gebunden sind. Die Gharanas haben Nachwuchsprobleme, sie haben nicht mehr die Ausdauer und haben es auch finanziell nicht nötig, dem anstrengenden und langjährigen Beruf ihrer Vorväter nachzugehen. Außerdem war die klassische Musik Indiens immer für die Höfe und den Landadel bestimmt, und diese Klasse existiert nicht mehr. Die moderne Schicht wendet sich mehr und mehr der modernen Musik zu. Die Altmusik wird nur noch gelegentlich in Konzerten der Großstädte mit der Unterstützung des indischen Staates angeboten. Heute wird diese Musik vielfach billig auf Kassetten oder CDs angeboten..
Trotz der gesellschaftlichen Veränderungen wird die klassische Musik sowie die Stammes- und Volksmusik wie Raga, Dhrupad, Thumri, Khayal, Tarana, Bhajan, Gazal, usw. in Zukunft in der einen oder anderen Form weiterleben, da diese Musik mit ihrer Spiritualität und Religiosität im Volk tief verwurzelt ist.
Hier seien einige sehr beliebte indische Instrumente aufgeführt.
Murali: Die Bambusquerfllöte, auch als Bansuri bekannt, gehört zu den ältesten Instrumenten Indiens. Der Gott Krishna soll auf ihr in Mathura (Uttar Pradesh) ständig für seine Gopis (Milchmädchen) gespielt haben. Die Murali besteht aus einem etwa 35-40 cm langen Bambusrohr mit sechs bis sieben Grifflöchern.
Sarod: Der Name stammt aus dem Persischen (Lied, Gesang). Es handelt sich um eine gezupfte Halslaute mit tailliertem Korpus. Sarod gehört zu den bedeutendsten Konzertinstrumenten der klassischen bzw. Hindustanimusik, besitzt das größte Tonvolumen der Saiteninstrumente. Es ist mit vier Melodiesaiten und zahlreichen Bordunsaiten bespannt, die der Spieler mit einem Plektrum zupft.
Sarangi: Das wichtige Streichinstrument dient als Begleitinstrument der Hindustanimusik insbesondere in Khayal und Mujra (Gesang der Tänzerinnen). Sie ist auch ein weitverbreitetes Musikinstrument von Volkssängern und Bettlern. Sie besteht aus einem massiven an der Seite stark eingezogenen Resonanzkörper, der mit Fell bespannt ist. Mit einem Bogen werden drei bis vier Melodiesaiten aus Darm bespielt.
Shahnai: Auf Hochzeiten und bei festlichen Umzügen hört man häufig die Töne einer oboenartigen Pfeife arabischen Ursprungs (arab.: Surna oder Sanavi). Sie besteht aus einem Holzrohr mit sieben bis neun Grifflöchern und einem Schalltrichter aus Metall. Die Beherrschung dieses Instruments ist sehr schwierig. Der Shahnai entspricht im Süden der Nagasuram oder Nagaswaram.
Sitar: Er stammt aus Persien und ist er in der arabischen Welt unter der Bezeichnung Kemandsche bekannt. Der bereits erwähnte Amir Khusro wird als Erfinder des indischen Sitar bezeichnet. Der Korpus des Sitar ist aus Holz oder aus einem in Kernrichtung abgeschnittenen Kürbis hergestellt. Er hat gewöhnlich 21 Stahlsaiten, die mit einem Plektrum gezupft werden. Er ist heute das in der Welt bekannteste indische Instrument. Dem Sitar ähnlich sind Esraj (Übermächtig), Dilruba (Herzräuber) und Surbahar (Frühlingsgefühle), die in Bengalen am häufigsten vorkommen und bei der Einleitung des Raga gespielt werden.
Tanbura: Sie wird auch als Tampura (pers./arab.) bezeichnet. Ihr Resonanzkörper ist mäßig gewölbt und hat eine Holzdecke, die mit kleinen Schalllöchern versehen ist. Sie ist das unentbehrliche Begleitinstrument der indischen Vokal- und Instrumentalmusik, stellt eine Stütze für die melodische Entwicklung und Intonation der Sänger dar.
Trommel: Sie ist das wichtigste Rhythmusinstrument der indischen Musik. Der zweifellige Mrdanga (Südindien, früher aus Ton) ähnelt dem großen Pakhwaj (Nordindien). Der Mrdanga und die Pakhwaj sind von dem Tabla (arab.) verdrängt worden.
Das Tabla besteht aus zwei einzelnen Trommeln (Bayan und Dayan), die immer paarweise gespielt werden. Die Volkssänger, Affen- und Bärenführer, Akrobaten, Straßenverkäufer und Dorfgaukler benutzen eine kleine Trommel, die Dholak oder Dhol genannt wird.
Trompete: Die aus einer Meermuschel hergestellte Trompete (Sankhu) gehört zu den ältesten Blasinstrumenten Indiens. Sie wird ausschließlich als Kultinstrument benutzt, das für die Götter und nur von den Priestern in Tempeln geblasen wird. Beim Volk ist eine andere Art von Trompeten (Ranasingha) sehr beliebt, die aus Büffelhorn oder Messing hergestellt wird. Die Trompeter begleiten die Hochzeitszüge und kündigen mit ihren Fanfaren deren Richtung und Ankunft an. Im heutigen Indien wird die Trompete vom Volk kaum mehr benutzt.
Vina: (Tamil: Vinai) ist auch eins der ältesten und beliebtesten Saiteninstrumente der karnatischen Musik. Der Sage nach stellt der lange Hals der Vina die schlanke Gestalt von Parvati dar, der Gattin von Shiva, die zwei Kürbisse ihre schönen Brüste, die Metallbünde ihre Armbänder und der Klang ihren rhythmischen Atem. Entsprechend ihrer Verehrung wird die Vina sehr dekorativ geschnitten und geschmückt. In Norden wird Vina als Bin bezeichnet.
Ausgewählte Literatur:
Ayyangar, R. R. History of South Indian Music. Madras 1972
Büchner, Alexander. Musikinstrumente der Völker. Hanau/M. 1968
Das große Lexikon der Musik. Freiburg in Bresgau. 1981
The New Encyclopedia Britannica. Macropaedia. 15. ed. Vol. 27. Chicago 2003
The New Grover Dictionary of Music and Musicians. Vol. 12. London 2001
Ranade, Da Ashok. Hindustani Music. New Delhi 1997
Der indische Subkontinent ist bekanntlich ein Sammelbecken verschiedener Völker, Kulturen und Sprachen. Die Eroberer Indiens aus Arabien, Persien, Zentralasien und Europa brachten ihre Musik und Instrumente mit, die in Indien noch heute in unterschiedlicher Form gespielt werden.
Der Ursprung der indischen Musik geht auf die Induszivilisation (2500-1500 v. Chr.) in Mohenjodaro und Harappa (Nordwesten) zurück. Die Musikinstrumente wie z. B. die gewölbte und bogenförmige Harfe sowie einige Typen von Trommeln gehen auf diese Zeit zurück, auf Münzen der damaligen Zeit entdeckte man sie. Ähnliche Abbildungen der Musikinstrumente fand man im Zweistromland von Mesopotamien, da die Völker der Indusregion und Mesopotamien Handelsbeziehungen miteinander pflegten. Auch die späteren indoarischen Einwanderer brachten ihre Musikinstrumente mit nach Indien. Aus der vedischen Literatur (2000 v. Chr.) wissen wir, dass sie über einige Blas,- Saiten- und Trommelinstrumente verfügten, die sie vornehmlich bei den religiösen Festen und Opferzeremonien spielten.
Die theoretischen Schriften über die indische Musik stammen bereits aus dem 1. Jh. n. Chr. und befinden sich im Natyashastra, dem Lehrbuch der Theaterkunst, verfasst von Bharata. Seit dem 10. Jh. unterlag Nordindien
islamischem Einfluss, der sich auch in der Musik deutlich bemerkbar machte. Mit der Kolonialisierung im 18. Jh. drangen schließlich Elemente europäischer Musik in Indien ein.
So gesehen ist die heutige indische Musik im wahrsten Sinne multiethnisch, multikulturell und multireligiös.
Formen der indischen Musik
In der bisherigen Literatur wird die heutige indische Musik in vier Kategorien aufgeteilt.
1.Stammesmusik 2.Volksmusik 3.moderne Musik bzw. Filmmusik 4. Kunstmusik, die auch als klassische oder religiöse Musik bezeichnet wird.
Die Stammesmusik wird von der Volksgruppe der Adivasi (Ureinwohner), die ca. 8% der indischen Bevölkerung ausmacht, gespielt. Aufgrund ihrer Siedlung in abgelegenen Berg- und Waldgebieten blieb ihre Musik weitgehend unberührt von den Hauptströmungen der indischen Kultur und entwickelte ein der Umgebung angepasstes Musikrepertoire und Musikinstrumente, die noch heute weitgehend unverändert geblieben sind.
Die Volksmusik entwickelte sich primär in den Agrargebieten und ist unterschiedlich je nach Ethnien, Regionen und Sprachen. Sie gibt die essentiellen Ereignisse des dortigen Lebens wieder. Die Gesänge sind der Geburt, dem Tod, dem Ackerbau, dem Erntedank und den dörflichen Zeremonien gewidmet. Sie werden im Chor gesungen, einer der Sänger gibt Takt und Ton an. Die Gesänge werden von einfachen Klanginstrumenten begleitet wie Glocken (Ghanti im Norden, Mani im Süden), Metalltellern (Thali im Norden, Talam im Süden), Gefäße aus gebranntem Ton (Ghara, Nut), Schellen, Schlagstäben, Streichbögen, Trommeln, Hörnern, usw. Die Volkstänzer tragen Fußschellen (im Norden Ghungru, im Süden Gejjai). Jede Sprache und soziale Gruppe hat eigene Lieder, Gesänge und Instrumente. Zu den Volksmusikern gehören die herumziehenden Bettler, Blinden, Fakire und Sadhus, denen man auch in den Zügen und an öffentlichen Plätzen mit ihren Sarangis (Streichinstrument mit zwei Saiten), kleinen Trommeln (Dhol, Dholak) und Flöten (Bansuri) begegnet. Zu den Volksmusikern gehören auch die Erzähler von Epen wie Mahabharata und Ramayana, und die Sänger von Helden- und Liebesgeschichten, die ein Wanderleben führen und gehören häufig zu den unteren Kasten von Dom und Mirasi gehören. Infolge der rapiden Urbanisierung der indischen Gesellschaft und der Verbreitung der modernen Musik verliert diese Volksmusik zunehmend ihre bisherige Beliebtheit und Bedeutung.Die moderne Musik Indiens, die auch als Filmmusik bezeichnet wird, hat im Laufe der Jahre bei allen Bevölkerungsschichten enorm an Popularität gewonnen. Indien ist z. Z. der größte Filmproduzent und die Inder sind auch die eifrigsten Kinogänger der Welt. In ihren Filmen spielen die Lieder eine überragende Rolle. 10 bis 12 Lieder zählen zum normalen Repertoire eines Films, Lieder über Liebe, Trennung, Glück und Unglück. Die Dichter und Sänger der Filme werden vom Volk sehr verehrt. Ein normaler Film besteht aus indischer und europäischer Musik. Zu den indischen Instrumenten kommen die europäischen wie Cello, Gitarre, Klarinette, Piano, Saxophon, usw., und dadurch entsteht eine Art von indo-europäischer Filmmusik in Indien . In letzter Zeit hört die indische Jugend gerne westliche Popmusik und die dieser ähnlichen Bhangra, Dandia und Garba, Musikrichtungen, die insbesondere von in Großbritannien geborenen Punjabis und Gujaratis entwickelt werden.
Dagegen hat die klassische Musik ihre Wurzeln in altindischen Musikinstrumenten und in vedischen Gesängen. Als Ausgangspunkt für die Entwicklung der klassischen Musik gilt der Samaveda, Gesang der Priester bei den Opferzeremonien. Diese Musik stützt sich primär auf den Raga (Farbe, Leidenschaft). Der Begriff als solcher taucht bei dem Autor Matanga erst im 9. Jh. n. Chr. Auf. Da bei dem Raga weder die Tonhöhe noch die Reihenfolge der Modulation präzise festgelegt ist, bleibt er im wesentlichen ein Musikkonzept der Improvisation. Der Raga kennt keine Regeln, er ist göttlich, so sagen ihre Musiker. Ihm werden Zauberkräfte zugeschrieben, er kann Deepak (Lichter), Feuer (Agni) und Megh (Regenwolken) hervorbringen.
Ohne auf die komplizierte überlieferte Musikbeschreibung des Raga einzugehen, werden hier lediglich die Grundelemente dargelegt. Eine festgelegte Komposition im europäischen Sinne ist dem Raga fremd. Jeder Ausführende ist immer zugleich auch selbst Komponist, der im Rahmen bestimmter Regeln und Modelle die Musik frei gestaltet. Ein Raga muss mindestens fünf Noten enthalten, einen Namen haben, einen der Gefühlsinhalte (Freude, Kummer) und eine der Jahreszeiten darbieten, einem der Göttergestalten des Hinduismus gewidmet sein, und in einem der drei Tempi, nämlich langsam, mittel, schnell (vilambit, madhya, drut) gespielt werden. Zur Musikpraxis des Raga hat eine siebenstufige Tonskala (Murtcana) als Richtschnur gedient und zur Festlegung der Tondistanzen wurde im 1. Jh. ein Maßintervall festgelegt. Man fand es durch Zerlegung der Oktave in 22 Schruti (gehörte Offenbarung der Rishis), Mikrotone genannt. Vier solcher Schruti ergeben den intensivsten Ganzton (8:9), zwei Schruti den Halbton (15:16). Die Melodien werden in 18 Stufen, in Jatis, aufgeteilt. Im Laufe der Zeit sind neue Ragamelodien mit unterschiedlichen Tonkombinationen als eigenständige Ragas entstanden. Von den über mehreren tausend bekannt gewordenen Ragas sind heute noch einige hundert in Gebrauch. Nach dem Raga ist das Tala (Klatschen und Schlagen) das Hauptelement der klassischen Musik, das sehr systematisiert und strukturiert ist. Das Tala ist auch eine Bezeichnung für den rhythmisch-metrischen Verlauf einer melodischen Periode, es dient als Vorlage für die Metrisierung von Musikstücken. An den Tala-Perioden orientiert sich die Länge der Melodie, und aus den Talaschlägen werden die Grundzeitwerte für Melodie und Trommelspiel gewonnen. Jeder Art des Trommelschlags, ob am Rand oder in der Mitte der Trommel, ob mit den Fingerspitzen, mit der Handfläche, der linken oder der rechten Hand, leicht oder kräftig, wird durch eigene mnemotechnische Silben (Bol), z.B. dha, dhin, da, din gekennzeichnet. Zu den häufigsten Talamodellen gehören mit unterschiedlicher Anzahl von Schlägen die Dadra (6 Schläge: 3+3), Jhampa (10 Schläge: 2+3+2+3), Chautal (12 Schläge: 2+2+2+2+2+2), Dhamar (14 Schläge: 5+5+2+2) und Tintal (16 Schläge: 4+4+4+4+4). Für die Rhythmisierung der Musik spielt der Trommelspieler eine unverzichtbare Rolle. Der Vortrag von Melodie und Trommelpart zeichnet oft hohe Virtuosität aus, dabei wird auch hier überwiegend improvisiert.
Die Darbietung eines Raga beginnt meist mit einem Alapa, einer freien Introduktion ohne festes Metrum. Im Alapa entwickelt der Musiker das Tonmaterial des betreffenden Raga und somit wird der Hörer mit dem entsprechenden Raga vertraut gemacht. Nach dem Alapa, der nicht länger als eine Stunde dauern darf, folgt der Hauptteil, in dem der Solist seine Musikalität und Geschicklichkeit präsentiert. Hier verarbeitet er das Tonmaterial, übernimmt die tradierten Modelle und entwickelt dabei seine eigene Komposition. Dieser Teil ist metrisch straff gegliedert und wird von einer Trommel begleitet.
Die klassische Musik Indiens ist ihrem Wesen nach solistisch, in der Regel musiziert ein Sänger oder Instrumentalist gemeinsam mit einem Tanbura-spieler. Meist ist ein Trommler dabei. Im Unterschied zum Tanburaspieler, der lediglich eine musikalische Begleitfunktion erfüllt, ist der Trommler zumindest ebenbürtiger Partner des Solisten. Es entwickelt sich gelegentlich ein spielerischer Wettstreit zwischen Solist und Trommler, in dem jeder versucht, den Partner an rhythmischer Präzision sowie an musikalischer Brillanz zu übertreffen. Den höchsten Rang in der klassischen Musik nehmen Ensembles mit fünf bis sechs Musikern ein, bei denen sehr häufig Saiteninstrumente, der Sitar, das Sarod und das Blasinstrument Shahnai (Nagasuram im Süden), Tabla (Myrdanga im Süden) und Tanbura (Bordunlaute) sowohl im Süden als auch im Norden eingesetzt werden.
Die klassische Musik wird in Nordindien auch als Hindustanimusik bezeichnet. Sie unterscheidet sich in einigen Aspekten in Stil und Ausführung von der Karnatakamusik des Südens. Der Unterschied liegt darin, dass viele Texte und Regeln von Raga und Tala in der karnatischen Musik durch bekannte Komponisten des 15. Jahrhunderts wie Muthuswami, Syamasastri und vor allem durch Tyagaraja (1767-1847) festgelegt worden sind, deren Musiktexte sich auf hinduistisches Gedankengut beziehen.
Dagegen geht die Verbreitung der Hindustanimusik in Norden auf die Unterstützung der moslemischen Herrscher und insbesondere der Moghulkaiser (1526-1857) zurück. Obwohl im Islam normalerweise die Musik verpönt ist, pflegten die moslemischen Herrscher in Indien die Musikkultur sehr und hielten an ihren Höfen Musiker in großer Zahl. Die Sufis trugen auch zur Popularität der Musik bei und bedienten sich dieser für ihre Meditation (Sama). Amir Khusro (1253-1325), der am Hofe des Sultans von Delhi, Allauddin Khilji (1288-1296), lebte, führte die Sitarmusik und Meditationslieder bei dem berühmtesten Sufi Nizamuddin Aulia ( 1238-1325) in Delhi ein. Am Hofe Akbars des Großen (1556-1605) lebte der legendäre Raga Sänger Tansen (geb. um 1500 in Gwalior).
Der Raga löste sich in Nordindien und Dekkan (Südindien) bzw. im Regierungsbereich der moslemischen Dynastien weitgehend von den sakralen und rigiden Regeln des Hinduismus. Die moslemischen Musiker waren der Sanskritsprache nicht mächtig, konnten also weder Ragatexte genau interpretieren noch hatten sie Interesse daran, sich mit den religiösen Inhalten zu identifizieren. So entwickelten sie eine säkulare Form der Ragamusik und führten noch ihre Musikinstrumente wie Sitar, Darod, Shahnai, Tabla, die sie aus ihren jeweiligen Heimatländern mitgebracht hätten, ein, was im Laufe der Jahre zu einer großen Bereicherung der klassischen Musik Indiens beitrug.
Zu den bekanntesten Formen der damaligen Musik, die auch Hindustanimusik genannt wurde, gehören: Dhrupad, Khayal, Tarana, Thumri, Bhajan und Ghazal. Mit Ausnahme des Ghazals lehnen sich alle an die alte Tradition der klassischen Musik an.
Der Dhrupad (Sanskrit: fester Boden) geht auf die Erfindung von Tansen zurück. Der Dhrupad wird als heilig betrachtet und zum Lobe der Götter, Natur und der Heiligen gesungen. Bei der Gestaltung dieser Musik wird in der Regel die zylinderförmige Trommel (Pakhwaj) mit zwei Membranen benutzt, die eine große Lautstärke erzeugt.
Khayal (Persisch: Imagination) ist mehr den moslemischen Herrschern und Heiligen gewidmet, er wird in einem sehr langsamen oder aber im achtfach schnelleren Tempo gesungen und vielfach von dem Streichinstrument Sarangi begleitet.
Der Erfinder des Tarana (Hindi: Verwandeln) ist der bereits erwähnte Amir Khusro. Bei dem Gesang wird versucht, Wörter ohne Bedeutung zu singen und die Geräusche der Natur (Bäume, Blätter, Wasser, Wind und Vögel) durch menschliche Stimmen zu ersetzen.
Die Thumri (Hindi: Thumakna, was so viel bedeutet wie tänzerisch erotische Bewegung) geht auf die Erfindung von Wajid Ali Shah, Nawab von Awadh (1822-1857) in Lucknow (1822-1857) zurück, einem der größten Pioniere der Hindustani Musik. Er war auch einer der bekanntesten Tänzer seiner Zeit, schrieb zahlreiche Abhandlungen über Musik und Tanz in Indien. Der Tanz von Thumri wird immer von Trommler (Tabalchi) begleitet. In einigen Teilen Nordindiens wird die Thumri auch Dadra genannt.
Der Bhajan (Sanskrit: Ergebenheit) ist durch eine mystische Gesangbewegung im 15. Jh. entstanden, wird vom einfachen Volk zum Lobe der Götter und Heiligen im Chor gesungen. Kabir, der Mystiker und Dichter aus Benares, der sowohl von Hindus als auch von Moslems und Sikhs wie ein Heiliger verehrt wird, schrieb im 16. Jh. unzählige Gesänge in der nordindischen Volkssprache von Bhojpuri, die noch in den Bhajans und bei den Sikhs in Gurduwara gesungen werden. Auch Tulsidas, vermutlich der Zeitgenosse von Kabir, der Ramayana im Awadhi Hindi dem Volk bekannt machte, schrieb auch Texte für die Bhaktigesänge.
Alle diese Formen der Hindustanimusik sind für das Volk zwischen dem 15. und 18. Jh. in Nordindien (Uttar Pradesh) in dem dort gesprochenen Hindidialekt wie Bhojpur, Brajbhasa und Awadhi entstanden.
Der Ghazal (Arabisch: Liebeslied), entstanden im 15. Jh., zählt zu einer der populärsten Dichtungsgattungen der Urdusprache, die sich von Lehnwörtern aus Hindi, Persisch und Türkisch ableitet. Die Gazals werden von den Qauwals (Gazalsänger) bei den moslemischen Hochzeiten, den Musharas (Wettbewerb zwischen Qauwals) und an den Darghas (Gräber) von Sufis mit Tabla und Harmonium gespielt. Auch die gebildeten Sikhs und Hindus in Nordindien, insbesondere in Punjab, Haryana, Uttar Pradesh und Delhi hören gerne Ghazals. Die Bollywoodfilme sind ohne Ghazal undenkbar.
Infolge des uralten Kastenwesens sind alle bisherigen Berufe von einer Generation zur anderen übertragen worden. So blieb auch der Beruf des Musikers eine Angelegenheit der Familie, die Gharana. In Anbetracht fehlender Schreibtradition spielte die einzelne Familie eine unverzichtbare Rolle bei der Übergabe der Musikkünste innerhalb des Familienverbandes.
Nach dem Zerfall der Moghulndynastie 1857 flüchteten die damaligen Musiker von Delhi zu den Höfen der Landesfürsten von Arcot, Gawalior, Hyderabad, Indore, Jaipur, Jodhpur, Junagarh, Kashmir, Lucknow, Patiala, Rampur, usw., und wurden dort die Hofmusiker. Ihre Gharanas leben noch in diesen Städten. Die einzelnen Gharanas als solche sind bekannt für die jeweilige Eigenart ihres Stils, ihrer Stimmhöhe, ihres Tempos, ihrer Einführung (Alapa), ihrer Vokalakzente, Innovationen, Ausbildungsmethoden, usw. Es gibt Gharanas, die sich ausschließlich auf eine Musikrichtung wie Raja, Dhrupad oder Khayal (Agra, Gawalior, Jaipur, Patiala) oder Thumri (Benares, Lucknow) spezialisiert haben. Es gibt heute noch Familien, die für die Beherrschung bestimmter Musikinstrumente wie Sitar, Sarod, Shahnai, Tabla und deren Innovationen bekannt sind. Aus dem Rampur Gharana kommt der sehr bekannte Ustad Allauddin Khan (1881-1972), der Schwiegervater von Ravi Shankar (geb. 1920). Zu den von altersher berühmten Sitar-Gharana aus Jaipur gehören Imrat Khan und Ustad Vilayat Khan. Der Gharana von Ustad Ali Akbar Khan (geb.1922) ist noch heute federführend auf dem Gebiet der Sarodmusik; das Sarod besitzt das größte Tonvolumen aller Seiteninstrumente. Darüber hinaus sind einzelne Trommlerfamilien wie der Ustad Allarkha und die Gharana der Pakhwajmusik von Kudai Singh erwähnenswert, die seit der Regierungszeit von Wajid Ali Shah in Lucknow leben. Der Gharana von Nana Panse aus Maharashtra wird als Erfinder neuer Trommelidiome verehrt.
Es waren die Mitglieder dieser Gharanas wie Ali Akbar Khan, Allauddin Khan, Nithil Ranjan Banerjee, Imrat Khan, Ravi Shankar, Vilayat Khan, Ustad Allarakha, die die Musik Indiens durch ihre Konzerte dem europäischen Publikum bekannt machten und es damit begeisterten. Mit ihnen zusammen trugen z. B. die Beatles und der Geigenvirtuose Yehudi Menuhin (1916- 1999) in den sechziger Jahren zur Integration der indischen Musik in die westliche Musik bei. Nach dem Ende der Hippiewelle ließ die bisherige Begeisterung für die indische Musik beim europäischen Publikum nach. Kenner der Materie behaupten, dass aufgrund der gewaltigen Unterschiede zwischen indischer und westlicher Musik die Integration beider Tonsysteme äußerst schwierig ist.
Auch infolge des veränderten Zeitgeistes verlieren die Gharanas ihre Bedeutung. Aufgrund der modernen Technik haben sich die Lernmethoden der Musik gewaltig geändert, und die Kompositionsgeheimnisse sind transparenter geworden. Es gibt heute zahlreiche moderne Musikschulen, die jedem Interessierten zugänglich sind und nicht mehr an die traditionellen Lernverpflichtungen und Familienbeziehungen von Guru und Chela oder Ustad und Shagird (Lehrer/Schüler) gebunden sind. Die Gharanas haben Nachwuchsprobleme, sie haben nicht mehr die Ausdauer und haben es auch finanziell nicht nötig, dem anstrengenden und langjährigen Beruf ihrer Vorväter nachzugehen. Außerdem war die klassische Musik Indiens immer für die Höfe und den Landadel bestimmt, und diese Klasse existiert nicht mehr. Die moderne Schicht wendet sich mehr und mehr der modernen Musik zu. Die Altmusik wird nur noch gelegentlich in Konzerten der Großstädte mit der Unterstützung des indischen Staates angeboten. Heute wird diese Musik vielfach billig auf Kassetten oder CDs angeboten..
Trotz der gesellschaftlichen Veränderungen wird die klassische Musik sowie die Stammes- und Volksmusik wie Raga, Dhrupad, Thumri, Khayal, Tarana, Bhajan, Gazal, usw. in Zukunft in der einen oder anderen Form weiterleben, da diese Musik mit ihrer Spiritualität und Religiosität im Volk tief verwurzelt ist.
Hier seien einige sehr beliebte indische Instrumente aufgeführt.
Murali: Die Bambusquerfllöte, auch als Bansuri bekannt, gehört zu den ältesten Instrumenten Indiens. Der Gott Krishna soll auf ihr in Mathura (Uttar Pradesh) ständig für seine Gopis (Milchmädchen) gespielt haben. Die Murali besteht aus einem etwa 35-40 cm langen Bambusrohr mit sechs bis sieben Grifflöchern.
Sarod: Der Name stammt aus dem Persischen (Lied, Gesang). Es handelt sich um eine gezupfte Halslaute mit tailliertem Korpus. Sarod gehört zu den bedeutendsten Konzertinstrumenten der klassischen bzw. Hindustanimusik, besitzt das größte Tonvolumen der Saiteninstrumente. Es ist mit vier Melodiesaiten und zahlreichen Bordunsaiten bespannt, die der Spieler mit einem Plektrum zupft.
Sarangi: Das wichtige Streichinstrument dient als Begleitinstrument der Hindustanimusik insbesondere in Khayal und Mujra (Gesang der Tänzerinnen). Sie ist auch ein weitverbreitetes Musikinstrument von Volkssängern und Bettlern. Sie besteht aus einem massiven an der Seite stark eingezogenen Resonanzkörper, der mit Fell bespannt ist. Mit einem Bogen werden drei bis vier Melodiesaiten aus Darm bespielt.
Shahnai: Auf Hochzeiten und bei festlichen Umzügen hört man häufig die Töne einer oboenartigen Pfeife arabischen Ursprungs (arab.: Surna oder Sanavi). Sie besteht aus einem Holzrohr mit sieben bis neun Grifflöchern und einem Schalltrichter aus Metall. Die Beherrschung dieses Instruments ist sehr schwierig. Der Shahnai entspricht im Süden der Nagasuram oder Nagaswaram.
Sitar: Er stammt aus Persien und ist er in der arabischen Welt unter der Bezeichnung Kemandsche bekannt. Der bereits erwähnte Amir Khusro wird als Erfinder des indischen Sitar bezeichnet. Der Korpus des Sitar ist aus Holz oder aus einem in Kernrichtung abgeschnittenen Kürbis hergestellt. Er hat gewöhnlich 21 Stahlsaiten, die mit einem Plektrum gezupft werden. Er ist heute das in der Welt bekannteste indische Instrument. Dem Sitar ähnlich sind Esraj (Übermächtig), Dilruba (Herzräuber) und Surbahar (Frühlingsgefühle), die in Bengalen am häufigsten vorkommen und bei der Einleitung des Raga gespielt werden.
Tanbura: Sie wird auch als Tampura (pers./arab.) bezeichnet. Ihr Resonanzkörper ist mäßig gewölbt und hat eine Holzdecke, die mit kleinen Schalllöchern versehen ist. Sie ist das unentbehrliche Begleitinstrument der indischen Vokal- und Instrumentalmusik, stellt eine Stütze für die melodische Entwicklung und Intonation der Sänger dar.
Trommel: Sie ist das wichtigste Rhythmusinstrument der indischen Musik. Der zweifellige Mrdanga (Südindien, früher aus Ton) ähnelt dem großen Pakhwaj (Nordindien). Der Mrdanga und die Pakhwaj sind von dem Tabla (arab.) verdrängt worden.
Das Tabla besteht aus zwei einzelnen Trommeln (Bayan und Dayan), die immer paarweise gespielt werden. Die Volkssänger, Affen- und Bärenführer, Akrobaten, Straßenverkäufer und Dorfgaukler benutzen eine kleine Trommel, die Dholak oder Dhol genannt wird.
Trompete: Die aus einer Meermuschel hergestellte Trompete (Sankhu) gehört zu den ältesten Blasinstrumenten Indiens. Sie wird ausschließlich als Kultinstrument benutzt, das für die Götter und nur von den Priestern in Tempeln geblasen wird. Beim Volk ist eine andere Art von Trompeten (Ranasingha) sehr beliebt, die aus Büffelhorn oder Messing hergestellt wird. Die Trompeter begleiten die Hochzeitszüge und kündigen mit ihren Fanfaren deren Richtung und Ankunft an. Im heutigen Indien wird die Trompete vom Volk kaum mehr benutzt.
Vina: (Tamil: Vinai) ist auch eins der ältesten und beliebtesten Saiteninstrumente der karnatischen Musik. Der Sage nach stellt der lange Hals der Vina die schlanke Gestalt von Parvati dar, der Gattin von Shiva, die zwei Kürbisse ihre schönen Brüste, die Metallbünde ihre Armbänder und der Klang ihren rhythmischen Atem. Entsprechend ihrer Verehrung wird die Vina sehr dekorativ geschnitten und geschmückt. In Norden wird Vina als Bin bezeichnet.
Ausgewählte Literatur:
Ayyangar, R. R. History of South Indian Music. Madras 1972
Büchner, Alexander. Musikinstrumente der Völker. Hanau/M. 1968
Das große Lexikon der Musik. Freiburg in Bresgau. 1981
The New Encyclopedia Britannica. Macropaedia. 15. ed. Vol. 27. Chicago 2003
The New Grover Dictionary of Music and Musicians. Vol. 12. London 2001
Ranade, Da Ashok. Hindustani Music. New Delhi 1997